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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Rücken es doch verletzt.
    Ellie setzte nach.
    Der erste Hieb traf den Oberschenkel. Es heulte auf, versuchte aber weiter, auf dem Bett nach vorn zu krabbeln. Der zweite Hieb traf es in der Lendenwirbelsäule. Durch den Stiel des Hammers konnte Ellie fühlen, wie im Rücken des Flittchens etwas zerbrach. Augenblicklich versteifte sich sein Körper, und es hörte auf zu schreien. Bäuchlings lag es auf dem Bett, die Augen weit aufgerissen, die Hände zur Tür gestreckt, zur letzten Rettung, die es nun nicht mehr erreichen konnte.
    Nun ohne Hast ging Ellie um das Bett herum, baute sich vor dem Kopf des Mädchens auf und holte weit aus. Ihre Wut entlud sich in wilden Schlägen, und jeder einzelne war begleitet von Gedanken an ihren Sohn.
    Niemand stellte sich zwischen Mutter und Sohn!
     
    Er war schweißgebadet, seine Finger schmerzten vom krampfhaften Umklammern des Lenkrads, sein Kopf pochte dumpf bis in den Nacken hinein. Die Fahrt durch die Stadt im Feierabendverkehr mit diesem Tempo war ein Selbstmordkommando, und es stand wohl mehr als ein Schutzengel in seinen Diensten, denn bisher war nichts passiert. Mehrfach war es eng gewesen; er hatte Bremsen
quietschen hören, hatte Fäuste gesehen, drohend in seine Richtung schwingend, hatte sich verhaftet und eingesperrt gesehen und doch Glück gehabt. Die Zeit saß ihm wie ein bissiger Terrier im Nacken. Nicht, weil er unbedingt den Termin bei Derwitz einhalten wollte – dazu war es ohnehin zu spät -, sondern wegen dieses Gedankens, der ihm anfangs lächerlich erschienen war, sich mit jeder Sekunde aber zu einer entsetzlichen Bedrohung entwickelt hatte.
    Was, wenn keiner der Beamten Saskias Visitenkarte mitgenommen hatte? Was, wenn es die Person gewesen war, die seinen Vater getötet und seine Mutter so grausam zugerichtet hatte? Und sollte es sich dabei um Ellie Brock handeln, würde sie dann nicht alles daransetzen, auch noch den letzten Menschen zu töten, der ihren Sohn liebte?
    Andererseits konnte sie von der Liebe zwischen ihm und Saskia ja nichts wissen. So eine Karte gab darüber schließlich keine Auskunft. Diese Erklärung hatte Sebastian beruhigt, solange er die gewundene Bergstraße ins Dorf hinuntergefahren war. Dann aber war ihm der Vorfall in Saskias Badezimmer in jener Nacht eingefallen. Als er zusammengebrochen war und das Gefühl gehabt hatte, jemand wolle mit seinen Augen sehen. Warum war es ihm so wichtig gewesen, Saskia dabei nicht anzuschauen? Er hatte nicht weiter darüber nachgedacht, warum auch, aber jetzt bekam das alles eine andere Dimension. Er erinnerte sich an Schneeflocken, an roten Regen, der die Flocken einfärbte, und dann hatte er das Bild des zerstörten Bettes vor Augen und die mittels Blut an Decke und Wänden klebenden Daunen. Hatte er während des Anfalls in Saskias Bad vorausgesehen, was geschehen würde? Oder hatte er vielleicht sogar dabei zugesehen? War diese Ellie Brock in seinem
Kopf gewesen, seine leibliche Mutter, um herauszufinden, mit wem er zusammen war?
    In der ersten Panik nach diesen Gedanken hatte Sebastian Uwe anrufen wollen, hatte die Nummer schon ins Handy getippt, es dann aber doch sein lassen. Niemand würde ihm solch wirre Gedanken abnehmen. Er konnte es ja selbst nicht glauben. So etwas gab es schließlich nicht, niemand konnte in anderer Menschen Köpfe kriechen, mit deren Augen sehen. Was für ein Quatsch!
    Und trotzdem war er gerast. Trotzdem war die Angst um Saskia mit jeder Sekunde gewachsen. Trotzdem war er fast einer Panik nahe, als er sie während des ganzen Weges nicht übers Handy erreichen konnte. Trotzdem, trotzdem, trotzdem …
    Endlich bog er jetzt in die Straße ein, in der sie wohnte. Kaum war er sie ein paar Meter hinuntergefahren, da sah er das Chaos, und sein Herz schien zerreißen zu wollen.
    »Nein … bitte!«, flüsterte er in der Einsamkeit seines Wagens.
    An die alte Stadtvilla kam er nicht heran. Ein quergestellter Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht zwang ihn hundert Meter entfernt zum Halten. Hinter dieser Sperre standen noch mehr Streifenwagen, ein Notarzt, zwei Rettungswagen und jede Menge Gaffer um einen Ring aus Flatterband und uniformierten Polizisten.
    Sebastian wurde heiß und kalt gleichzeitig. Er sprang aus dem Wagen und starrte auf die Szenerie. Konnte, wollte es nicht glauben. Hatte er doch recht gehabt? Kam er bereits zu spät? Etwas in ihm schaltete die Emotionen ab, er registrierte es, konnte aber nichts dagegen tun, hielt es sogar für besser, weil er sonst

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