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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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wohl zusammengebrochen wäre. Sein Körper funktionierte nun automatisch, seine Beine trugen
ihn mit eckigen Bewegungen um den Streifenwagen herum auf das Flatterband zu. Dort drängte er sich durch einen Pulk von Menschen und blieb schließlich vor einem Hünen von Polizisten stehen, der ihn grimmig anstarrte.
    »Hier gibt es nichts zu sehen!«, sagte er.
    »Ich … was ist hier … was ist mit Saskia, Frau Eschenbach?«
    Der Polizist wurde aufmerksam. Er nahm die Hände vom Rücken, kam näher heran, fixierte Sebastian genau. »Wer sind Sie? Können Sie sich ausweisen?«
    »Ich bin mit Frau Eschenbach befreundet. Was ist passiert? Können Sie mir …«
    »Moment«, sagte der Polizist, drehte sich um, winkte einen Kollegen heran und raunte dem etwas ins Ohr, das Sebastian nicht verstehen konnte. Das Gemurmel der Menge in seinem Rücken war einfach zu laut. Erst jetzt nahm er den griechischen Chor wirklich wahr. Vierzig, vielleicht fünfzig Leute standen hinter ihm, glotzten ihn an, warteten auf eine Sensation, geifernd, sabbernd, tuschelnd. Sebastian musste an den Unfall mit Saskia denken; damals waren es die gleichen Gesichter gewesen, die gleichen aufgeregten Stimmen. Sie widerten ihn plötzlich an, machten ihn sogar wütend. Vielleicht wäre er auf sie losgegangen, hätte sie angebrüllt, sie sollten endlich die verdammte Schnauze halten, hätte der Polizist nicht das Flatterband angehoben und ihn an der Schulter herangezogen.
    »Folgen Sie mir«, sagte er und ging voraus.
    Sebastian trottete hinterher. Hinter ihm sang der Chor ein wenig lauter. Aus dem Haus kam ein junger Mann in Zivilkleidung. Er trug schwarze Hosen, ein schwarzes T-Shirt und schwarze Turnschuhe. Er trägt Trauer , schoss es Sebastian durch den Kopf.

    »Sie kennen Frau Eschenbach?«, fragte der Mann.
    »Ja, ich …«
    »Wer sind Sie?«
    »Sebastian Schneider. Ich bin mit Saskia …«
    »Moment!«, unterbrach ihn der Mann erneut. »Ihr Name ist Sebastian Schneider? Vom Schneiderhof in Bentlage?«
    »Ja, aber …«
    Mit einer schnellen Handbewegung wurde auch dieser Satz im Keim erstickt. »Kommen Sie mit.«
    Sebastian wurde am Oberarm gepackt und ins Haus geführt. Das Raunen der Menge wurde erneut lauter.
    Im Haus herrschte eine andere Atmosphäre – als ob der Luftdruck niedriger wäre. Alle bewegten sich irgendwie stockend, mechanisch, flüsterten oder sprachen zumindest leise. Im Haus herrschte die Atmosphäre des Todes. Sebastian spürte es sofort. Es war genauso wie gestern, als er von Uwe daran gehindert worden war, sein Elternhaus zu betreten.
    Der Mann in Schwarz führte ihn in die Küche im Erdgeschoss, schloss die Tür und wies ihn an, sich an den Tisch zu setzen.
    Sebastian schüttelte den Kopf. »Ich will mich nicht hinsetzen. Ich will endlich wissen, was hier passiert ist!«
    Der Mann in Schwarz starrte ihn aus engen Augen an. Sie waren ebenfalls schwarz.
    »Herr Schneider, setzen Sie sich. Ich sage Ihnen ja, was sich hier zugetragen hat, aber vorher setzen Sie sich … an den beschissenen Tisch!«
    Die letzten Worte spuckte der Mann förmlich aus. Er wurde nicht laut dabei, eher noch etwas leiser, sein Blick stechender, und doch hätte der Befehl geschrien nicht effektiver
sein können. Sebastians aufflackernde Gegenwehr brach zusammen, er setzte sich.
    Der junge Mann nickte zufrieden.
    »Ich bin Kommissar Wiegand. Hauptkommissar Derwitz ist mein Vorgesetzter, ich bin also über Ihren Fall informiert. Und jetzt wundere ich mich doch sehr, dass Sie hier auftauchen. Was verbindet Sie mit Frau Eschenbach?«
    Sebastian klärte Wiegand mit wenigen Sätzen auf. Noch während er sprach, holte der Beamte sein Handy hervor, klappte es auf, wählte und presste es ans Ohr. Dann deutete er Sebastian mit erhobenem Finger an, ruhig zu sein.
    »Bernd hier, hör mal zu, vor mir sitzt Sebastian Schneider … Ja, genau der … Bei einem der Opfer handelt es sich wahrscheinlich um Saskia Eschen… Ja … Ja, bis gleich.«
    Er klappte das Handy mit einer bedächtigen Bewegung zu und steckte es weg. Dann sah er Sebastian an. Mit diesem bestimmten Blick, mit dem Menschen immer angesehen wurden, für die man Mitleid empfand oder empfinden sollte.
    »Ist sie tot?«, fragte Sebastian.
    Wiegand zögerte kurz, bevor er antwortete. »Wir haben in diesem Haus drei übel zugerichtete Opfer gefunden. Zwei sind bereits als Herr und Frau Ostrowski identifiziert, die Besitzer des Hauses. Das dritte Opfer befindet sich im Obergeschoss in Frau Eschenbachs Wohnung

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