Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
Vom Netzwerk:
du etwas Wichtiges hast, werden sie dir schon zuhören.«
    »Was heißt wichtig? Keine Ahnung, ob es wichtig ist. Nachher meckert ihr dann wieder, dass die Leute sich nicht umeinander kümmern. Kennt man doch! Aber wenn mal jemand was gesehen hat …«
    Uwe seufzte. »Und was hast du gesehen?«
    Wohlan zog die Augenbrauen zusammen und sah sich um. »Soll ich dir das hier auf dem Gang erzählen?«
    »Wie lange dauert es denn?«
    »Zwei Minuten.«
    Uwes Blick pendelte zwischen der Uhr an der Wand und der Ausgangstür hin und her. Ein nachdrückliches Gefühl sagte ihm, dass er nicht einmal diese zwei Minuten hatte,
aber derart vor den Kopf stoßen wollte er Wohlan auch nicht.
    »Also gut, komm rein. Aber mehr als zwei Minuten habe ich wirklich nicht.«
    Uwe schloss die Tür wieder auf und ging voran. Es gab zwei abgestoßene Schreibtische in dem quadratischen Raum. An dem grünen arbeitete er den Schreibkram auf, an dem blauen unterhielt er sich und nahm Anzeigen auf. Deshalb war der blaue immer aufgeräumt, und der grüne eine Herberge fürs Chaos. Sie setzten sich an den blauen. Wohlan ließ sich in den Besucherstuhl sinken, sagte aber nichts.
    »Und!«, forderte Uwe ihn auf.
    »Du schreibst kein Dingsda … kein Protokoll mit?«
    »Ich hör mir erst mal an, was du zu sagen hast. Wenn es nötig sein sollte, kann ich ja immer noch mitschreiben.«
    »Ach so!« Wohlan kratzte sich an der kahlen Stelle an seinem Hinterkopf. »Also … wie erkläre ich es dir am besten. In Ralsdorf gibt’s …«
    Uwe hörte mit einem Ohr zu und gab sich redlich Mühe, interessiert auszusehen. Während Wohlan von der alten Kreiling, der merkwürdigen Verwandtschaft, dem nicht regelmäßig geleerten Briefkasten, den ständig heruntergelassenen Rollläden und einer toten Ziege im Stall berichtete, stahl sich Uwes Blick immer wieder zur Uhr. Gleichsam wanderten seine Gedanken zum Schneiderhof ab. Er bekam kaum die Hälfte mit von dem, was Wohlan erzählte. Als schließlich reichlich fünf Minuten verstrichen waren, griff Uwe nach Notizzettel und Kuli und unterbrach den Postzusteller.
    »Was hast du gesagt? Wie lautet die Adresse?«

    »Na ja, in Ralsdorf. Feldweg 9. Das ist beim Aldi rechts rein und ein gutes Stück …«
    »Ja, ja, ich finde es dann schon.« Uwe schrieb die Adresse auf, ohne sie wirklich zu registrieren.
    »Heißt das, du kümmerst dich drum?«
    »Sobald ich den Kopf frei hab, ja.«
    Wohlan beugte sich ein Stück vor. »Aber du sagst doch nicht, von wem du die Information hast, oder?«
    »Nur, wenn du auf einer Anzeige bestehst.«
    Wohlan lehnte sich schnell zurück und fuchtelte abwehrend mit den Händen. »Um Gottes willen! Ich will doch keine Anzeige erstatten. Ich wollte es nur erzählt haben, damit es nachher nicht wieder heißt …«
    »Ja, ja, ich weiß ja, dass du dich um deine Mitmenschen kümmerst. Finde ich auch ganz prima, aber jetzt muss ich wirklich los. Ist zurzeit eine Menge los hier, und …«
    Das Telefon klingelte. Uwe nahm sofort ab. Schweigend hörte er sich an, was sein Gesprächspartner zu sagen hatte. Dann schmiss er Wohlan aus dem Dienstzimmer und fuhr mit Einsatzsirene in die Stadt.
     
    Und wieder hatte der Riese ihn gefunden. Trotzdem war es anders als sonst. Auf leisen Sohlen schlich er in seine Träume, nicht mit der sonst üblichen Gewalt, suchte sich klammheimlich einen Weg zwischen den Bäumen hindurch, statt sie einfach niederzuwalzen. Auch verbrannte er ihm diesmal nicht die Lunge mit seinem Feueratem, eigentlich war er nur als geisterhafter Schemen, als Ahnung wahrnehmbar, und doch wusste Sebastian mit absoluter Sicherheit, dass es sich um den Riesen handelte. Warum wollte er ihn nicht töten? Warum hatte Sebastian sogar den Eindruck, der Riese wolle ihn retten?

    Seine Träume reichten nicht für eine Antwort. Plötzlich zerriss der dunkle Nachthimmel, und es wurde gleißend hell. Erschrocken riss Sebastian die Augen auf. Er lag auf dem Rücken, über sich eine mattweiße Zimmerdecke, unter sich eine weiche Couch, neben sich zwei Gesichter, die ihn anstarrten. Das von Uwe Hötzner erkannte er sofort, für Derwitz benötigte sein Verstand ein bisschen länger.
    Uwe tätschelte ihm die Schulter.
    »Sebastian … geht’s wieder?«
    Sebastian sagte nichts. Er wusste nicht, ob es wieder ging. Er wusste zunächst nicht einmal, warum er dort lag und die anderen ihn anstarrten. War der Traum wirklich vorbei? Oder hatten nur die Protagonisten gewechselt? Er richtete sich auf, mühsam, mit Uwes

Weitere Kostenlose Bücher