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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Leben bisher nicht gegeben hatte. Sie war entführt worden! Etwas anderes kam nicht in Frage, konnte gar nicht möglich sein. Aber wer sollte …

    Die Erkenntnis ging einher mit einem dumpfen Poltern. Saskia zuckte zusammen. Sie konnte es nicht nur hören, sondern auch spüren. Das Poltern floss durch das Fundament des Hauses, kroch durch den Fußboden und ließ das Bett, auf dem sie saß, leicht erzittern. Es glich den Erschütterungen schwerer Lastwagen, wie sie während ihrer Kindheit unablässig an dem Haus vorbeigefahren waren, in dem sie gelebt hatten. Genau vor ihrem Haus hatte es zwei tief liegende Gullydeckel in der Fahrbahn gegeben. Leere Lkws hatten nur gescheppert, aber voll beladene hatten das Fundament des Hauses in etwas Lebendiges verwandelt, welches die Last seiner Bewohner immer wieder abzuschütteln versuchte.
    Assoziation und Angst vermischten sich, boten Nährboden für das Aufkeimen von Panik. Saskia lauschte angestrengt. Das Poltern wiederholte sich nicht, aber waren das nicht Schritte, was sie jetzt hörte? Schritte, die stetig lauter wurden, als stiege jemand schwerfällig eine alte Treppe hinauf? Für eine Sekunde schwankte Saskia zwischen dem kaum bezähmbaren Wunsch, durch lautes Rufen auf sich aufmerksam zu machen, und der Angst vor dem, was die Treppe hinaufgeschlichen kam. Eine innere Stimme riet ihr, sich still zu verhalten, besser abzuwarten und so zu tun, als wäre sie noch bewusstlos. Schließlich hatte irgendjemand ihr die Verletzungen zugefügt und sie in diesen finstren, stinkenden Raum verschleppt. Dieser Jemand bewegte sich dort draußen auf der Treppe, alles andere war reines Wunschdenken. Und Saskia ahnte, um wen es sich dabei handelte.
    Die Schritte verharrten. Saskia bewegte den Kopf hin und her, versuchte sie neu zu orten. Es gelang ihr nicht. Dafür drangen aber andere Geräusche an ihre Ohren. Sie
konnte es kaum glauben! Eine leise, gepfiffene Melodie, zuerst sanft, kaum hörbar, dann immer eindringlicher. Schließlich erkannte sie, um welche Melodie es sich dabei handelte. Schlagartig wurde ihr Verdacht bestätigt; ihr Magen krampfte sich zusammen, und die Angst erreichte eine neue, ungeahnte Qualität. Da draußen pfiff jemand Hänschen klein .
    Saskia hielt den Atem an. Niemals hätte sie gedacht, dass diese alte Kinderweise geeignet sein könnte, einem Menschen Angst einzujagen. Und doch tat sie es. Derart überwältigend, dass die Schmerzen plötzlich verschwanden. Die Person stand vor der Tür und pfiff, und wenn sie damit aufhörte, würde sie die Tür öffnen und dann …
    Das Pfeifen verstummte, die Tür wurde geöffnet.
    Saskia drängte sich in die Ecke, schlang die Arme um den Oberkörper, starrte auf den Spalt aus Licht, der schnell breiter wurde, zu einer Türöffnung heranwuchs und schließlich ausgefüllt wurde von einem mächtigen Schattenriss. Nein, das konnte kein Mensch sein! Niemals!
    Plötzlich flutete grelles Licht den Raum. Saskia schrie auf, kniff die Lider zusammen, war aber trotzdem geblendet.
    »Sieh an! Das Flittchen ist wach.«
    Die Stimme einer Frau. Weder sanft noch melodisch, aber doch die Stimme einer Frau.
    »Was … was wollen Sie von mir?«, fragte Saskia mit krächzender Stimme.
    Schwere Schritte näherten sich dem Bett. Saskia blinzelte gegen das Licht, erkannte einen gewaltigen Körper direkt vor sich.
    »Hast du geglaubt, es ist so einfach? Hast du wirklich geglaubt, du könntest ihn mir wegnehmen? Ein bisschen
die Beine breitmachen, und schon ist er deiner? Aber nicht mit meinem Hans! Mein Hans fällt auf so etwas nicht herein!«
    »Bitte … ich …«
    »Halt dein Maul!«
    Die Frau trat einen weiteren Schritt auf das Bett zu, schob sich damit vollends in den Lichtkreis der Lampe, sodass Saskia jetzt auch ihr Gesicht sehen konnte. Fett und aufgedunsen, eine fleischige, von geplatzten Äderchen durchzogene Nase. Haare, die kurz und klebrig am Schädel anlagen. Kleine Augen, flink und hektisch, mit einem entschlossenen Ausdruck darin. In der Hand hielt sie ein Küchenmesser.
    »Hast meinem Hans den Kopf verdreht, was? Hast gedacht, er könnte dir gehören. Irrtum, du kleines Flittchen. Er wird niemals jemand anderem gehören als mir. Und jetzt brauche ich ein kleines Teil von dir, damit er es auch versteht.«
    »Hören Sie, bitte, Sebastian ist …«
    »Halt dein Maul! Halt bloß dein beschissenes Maul!«, schrie Ellie Brock.
    Speichel besudelte Saskias Gesicht.
    Mit einem schnellen Schritt war die Frau am Bett, schnappte sich

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