Haeppchenweise
offenbar nichts aus der letzten Stunde gelernt hat. Blasiert wie gewohnt glotzt er auf mein Dessert, als handele es sich um Katzenfutter.
„Ein Gewürzkuchen an hausgemachter Mandelsoße vom Cook & Chill, Fondant au Chocolait mit flüssigem Kern am Fruchtspiegel vom Starcooks ... nein, umgekehrt“, haspelt unser Starmoderator und verfällt sodann in dumpfes Brüten, als überließe er einer übergeordneten Macht das Richterbeil.
„Soso. Umgekehrt.“ Die Kochbuchautorin bläht ihre Nasenflügel und schnuppert an Mats Gewürzküchlein. Ich habe diese raffinierte Süßspeise oft gegessen, es handelt sich wahrlich um ein großartiges Gericht. Sofern man die knifflige Gewürzliste im Griff hat. Unwillkürlich legt sich ein Lächeln auf meine Lippen. Ich verwette meinen Laden ... nein, meine schwarze Seele, dass mein bauernschlauer Koch dieses Finale geplant hat. Ausgenommen des Umstands, dass ich diejenige bin, die den nervenaufreibenden Schlussakt vor der Kamera überstehen muss.
„Geschenkt“, wispere ich.
Die Kochbuchautorin wirft mir einen strengen Blick zu.
„Frau Lehner? Möchten Sie etwas anmerken?“
„Ich dachte gerade, wie hübsch der Konkurrenzteller aussieht.“ Das meine ich sogar ehrlich.
„Kann ich leider nicht zurückgeben. Dachte, das sei ein Kochwettbewerb, keine Malstunde!“, ätzt Mats. Ich sag ja, der Mann hat nix gelernt.
„Vergessen Sie nicht, Herr Jørgensen, das Auge isst mit. Diesbezüglich können Sie von Frau Lehner was lernen.“
Dem gibt es wenig hinzuzufügen. Ich schlucke meine bissige Retourkutsche herunter und bemühe mich, ein bescheidenes Gesicht zu machen.
Die ersten Gewürzkuchenstücke verschwinden in drei Jurorenmündern. Ein göttliches Bild, denn alle kauen schweigend, den Blick zum Deckengerüst gerichtet, als klebe die Wertungsnote da oben. Sie greifen gleichzeitig nach ihren Wassergläsern und frischen Gäbelchen. Ich halte die Luft an, als sich die stumme Szene, samt Gestik und Mimik, bei Julius´ Fondant wiederholt.
Nach einer gefühlten Ewigkeit stecken die Juroren die Köpfe zusammen – und tuscheln. Das ist neu. Offensichtlich wollen sie eine gemeinsame Wertung abgeben. Und man scheint sich nicht gerade einig zu sein.
„Der Fondant sieht wirklich lecker aus, meine Damen und Herren! Und wenn sie diesen betörenden Schokoladenduft riechen könnten ...“, tönt aus den Lautsprechern. Ich drehe mich verwundert zu Novela um.
„Herr Novela, da muss ich Ihnen zum ersten Mal heute Abend Recht geben.“ Die Kochbuchautorin verzieht den Mund. „Hoffen wir, dass ihr Geruchsinn besser ausgeprägt ist, als Ihre Unparteilichkeit.“
Ich finde diese Anne Liesch immer großartiger. Sie beugt sich nach links zu Werner Haag vom Köcheverband und flüstert etwas in sein Ohr, woraufhin seine wässrigen Äuglein fast aus ihren Höhlen quillen. Beide mustern daraufhin Werner Gaut, als handele es sich in dem Restaurantkritiker um einen entflohenen Serienmörder. Ich gebe zu, ich bin verwirrt.
Noch irritierender finde ich allerdings, dass die Liesch samt meinem Fondant von ihrem Pult herabsteigt. Erst jetzt fällt mir auf, wie groß die Frau in dem eleganten Kostüm ist, dessen Schulterpolster ihr breites Kreuz zusätzlich betonen.
„Wir wissen natürlich, dass unsere Entscheidung in erster Linie für Sie als Inhaberin des Cook & Chill bedeutsam ist, Frau Lehner. Trotzdem möchte die Jury ihre Beurteilung in Anwesenheit derer verkünden, die diese Köstlichkeiten gezaubert haben. Gehen wir Backstage und versichern uns persönlich davon, dass Herr Zander wohlauf ist.“
„Wie jetzt? Wir alle?“, fragt Novela lahm. Die Liesch lächelt unverbindlich auf ihn herab und signalisiert dem Kameramann mit dem Aufnahmegerät auf der Schulter, ihr zu folgen.
Mats Jørgensen spielt an einem losen Ärmelknopf herum und spannt den Kiefer an, sichtlich zwischen totaler Verweigerung und Neugierde hin und hergerissen. Ich tippe ihm auf den Rücken: „Na los, hinterher. Oder wollen Sie nicht wissen, wer gewonnen hat?“
Er mustert mich, als hätte ich vorgeschlagen, er solle eine Pistole an seine Schläfe halten und abdrücken.
„Ich weiß, wer gewinnt, Mädchen. Bestell schon mal Umzugskisten.“
„Das geht so auf keinen Fall! Wie soll ich damit kochen?!“
Julius betrachtet verärgert seine Hände, die ihn gerade eher an Boxerfäuste erinnern. Mindestens drei Meter Brandbinden hat die junge Frau darum gewickelt, und nicht mal die Daumen frei gelassen.
„Na, gar
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