Haeppchenweise
Meister zu stehen. Mutterseelenallein.
Gegen Knut Ziegler läuft ein Verfahren wegen mutwilliger Körperverletzung, denn die Untersuchung des Lieferwagen-Wracks hatte ergeben, dass der Bremsschlauch zerschnitten wurde. Die Polizei fahndet jetzt deutschlandweit nach Knut, der seit seinem unfreiwilligen Ausflug spurlos verschwunden ist.
Es ist mir egal. Ich mache mir einen Spaß daraus, Mats auf meiner neuen Route zum Cook & Chill, die am Starcooks vorbeiführt, vom Auto aus zuzuwinken, wenn er draußen seine Gäste bedient. Irgendwann wird er sicher meinen Gruß erwidern.
Ich linse in das Schälchen auf dem Beistelltisch. Roúlas Oliven gehören jetzt fest zu unserem Feinkostsortiment. Melitta liefert uns jede Woche frische Gläser, obwohl ich glaube, dass sie die neue Beschäftigungstherapie ihrer Mutter nur als Vorwand benutzt, um öfter vorbeizuschauen. Ich sollte sie fragen, ob Roúla die Oliven nicht in unserer Bistroküche einwecken möchte. Bestimmt täte der alten Griechin etwas Gesellschaft gut, auch wenn es sich zweifelsfrei um einen Haufen Irrer handelt.
Die Stimmen in der Küche werden lauter. Ich sperre die Ohren auf und schiebe mir eine weitere Olive in den Mund.
„Das ist nicht dein Ernst!“
„Wieso denn nicht?!“
„Du kannst einen wadenhohen Fiffi doch nicht Wolf nennen, Papa!“
„Hattest DU seinen Reißzahn im Daumen oder ich? Glaub mir, den Namen hat er sich schon ausgesucht, bevor ich ihn aus deinem Karton gehoben habe.“
„Blödsinn! Du machst das Tier ja zur Lachnummer der ganzen Stadt!“
„Bleib auf dem Linoleum, Tochter! Mein Hund heißt Wolf und damit basta!“
Henry schießt mit vorgeschobenem Kiefer aus der Schwingtür und rauscht an mir vorbei zur Kaffeetheke, wo Julia in weiser Voraussicht einen doppelten Espresso aufgebrüht hat. Ich schiele zum Hundekörbchen, in dem Wolf gerade hingebungsvoll an Julius Lieblingspantoffel lutscht, und klaube noch eine Olive aus dem Schälchen.
Sekunden später rattert die Jalousie mit trotzig klappernden Lammelen vor dem Panoramafenster herab. Henry stürzt ihr Käffchen in einem Zug hinunter, als handele es sich um eine Tasse Obstbrand. Julia und ich tauschen einen Blick.
Irgendwie beruhigend, dass sich die Dinge im Cook & Chill kaum verändert haben. In diesen Räumen wird nach wie vor gestritten, gelacht und manche Träne vergossen. Alles wie gehabt, bis auf eine Ausnahme: Geliebt wird derzeit nicht.
Aber hey, man kann eben nicht alles haben.
Ich spucke den Olivenkern in meine Handfläche und stecke ihn in die Topfpalme auf dem Sims. Zeit für weitere Veränderungen.
„Julia, machst du eine Pause und setzt dich zu mir? Ich möchte etwas Wichtiges mit dir besprechen.“
Sie mustert das Dokument schweigend. Johannes hat netterweise den Text in der erforderlichen Form für mich aufgesetzt. Nach Julias Unterschrift soll ein Notarstempel meiner Entscheidung das Siegel der Endgültigkeit verpassen.
„Bist du sicher, dass du das tun willst, Katta?“
Schneckenvögelchens Miene bleibt zum ersten Mal, seit ich sie kenne, ohne erkennbare Gefühlsregung. Mir wird bewusst, dass ihr Kosename ausgedient hat. Die stille, aber selbstsicher wirkende Frau im Sessel mir gegenüber hat nichts mit einer Schnecke oder einem Vögelchen gemein.
„Ich habe die Umsatzzahlen gesehen. Nur recht und billig, dass du die Lorbeeren unter deinem Namen einstreichst. Vorausgesetzt, du nimmst die Teilhaberschaft an ...“ Ich stottere. Irgendwie kam ich gar nicht auf die Idee, dass Julia mein Geschenk ablehnen könnte.
„Natürlich sind mit deiner Beteiligung am Cook & Chill keinerlei Kosten verbunden“, füge ich rasch hinzu und tippe auf die entsprechende Vertragsklausel.
„Ich möchte aber etwas dazugeben.“
„Heißt das, du bist einverstanden?“
Sie hebt das Kinn, ihre Augen glänzen. „Schicken wir zuerst das Brautpaar in die Flitterwochen. Dann sehen wir weiter.“
Die komplette Gewinnsumme aus dem Kochwettbewerb ist in den hungrigen Rachen des Finanzamts geflossen. Die Promihochzeit, Julias vierstelliges Meisterstück, müsste uns ein gehöriges Stück aus den roten Zahlen schubsen.
„Selbst wenn dieses Hochzeitscatering unsere Sushi-Katastrophe übertreffen sollte, was nahezu unmöglich ist, nehme ich keinen Cent von dir. Und jetzt unterschreib gefälligst, sonst kündige ich dir die Freundschaft!“
Roúlas süße Oliven
mit freundlicher Genehmigung des Restaurants Meltemi in Frankfurt;
nach einem alten Familienrezept der
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