Haeppchenweise
stiert noch immer angestrengt in unsere Reihe, offenbar vereitelt das Bühnenlicht jedoch den Versuch, uns zu orten.
„Butter, Schalotten ...“, betet Knut artig herunter.
„Limetten, Muskat, roten Pfeffer ...“, raunt Julius in mein Ohr.
„Limetten, Muskat, roten Pfeffer, und die Geheimzutat ...“, leiert Knut.
Verblüfft mustere ich meinen Sternekoch. Britta kichert.
„Oregano“, vollendet Jørgensen zufrieden.
„Salbei, du Dilettant!“ Julius springt mit geballten Fäusten von seinem Sitz auf. Zu meinem Entsetzen erscheint prompt seine zornrote Halbglatze auf der XXL-Leinwand über dem Küchenblock. Nicht nur mir ist demnach aufgefallen, dass sich hier Spannendes zusammenbraut, die Sendeleitung hat sofort geschaltet. Leider begegne ich auch meinen eigenen, erschrockenen Augen in Großformat, ehe ich den Platz mit Britta tauschen kann.
Jørgensen starrt auf den Bildschirm. Ihm ist anzusehen, dass er nach der verlorenen Erinnerung wühlt, die mein Anblick in ihm heraufbeschwört. Britta winkt heftig und setzt ihr Aufreißerlächeln auf, woraufhin der Kameramann umstandslos in ihr Dekolleté schwenkt. Sämtliche Köpfe drehen sich zu uns herum.
„Dafür schuldest du mir was, Lehner! Andreas lässt sich scheiden, wenn er das sieht!“, presst meine Freundin zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und streicht sich aufreizend eine Haarlocke aus der Stirn.
Bedauerlicherweise währt das Ablenkungsmanöver nur kurz. Mats breitet mit einem gefährlichen Glitzern in den Augen beide Arme aus: „Sieh an. Ein prominenter Gast in meinem bescheidenen Studio. Meine Damen und Herren, darf ich vorstellen: der legendäre Julius Zander, ein alter Freund. Eine liebe Kollegin hat er auch gleich mitgebracht.“
Die Art und Weise, wie er „Freuuund“ auseinanderzieht, lässt keinen Zweifel daran, dass er Julius nicht leiden mag. Was spürbar auf Gegenseitigkeit beruht.
Zögerlicher Applaus wogt durch die Zuschauer und zeugt davon, dass niemand mit dem alten Mann im schlecht sitzenden Anzug etwas anzufangen weiß. Niemand, außer mir.
Die Geschichte von dem Trottel, den sein bester Freund ans Messer lieferte.
Ich vergesse die gaffenden Gesichter und die Fernsehkameras. Mit offenem Mund starre ich Julius an, der stur meinem Blick ausweicht. Klappe zu, Maus tot. Erst jetzt wird mir klar, dass Julius meine Frage nach seiner Vergangenheit tatsächlich beantwortet hat.
Margarete Millstedt wappnet sich indes – bestärkt durch Kochschüler Hermanns Nähe – für ein erneutes Bad in der Menge. Sie umklammert den Brustlatz ihrer Schürze, macht einen Schritt nach vorne, starrt in die Kamera ... und schweigt.
Brittas Pädagogenbraue schießt in die Höhe, die Zuschauer beginnen zu flüstern und vereinzelte Fremdschäm-Lacher ertönen. Margarete stiert noch immer mit glasigem Blick ins Leere, bis der Kameramann ein Einsehen hat. Er schwenkt zu Hermann, der einen ausgenommenen Fisch in den Händen balanciert und aussieht, als müsse er sich jeden Moment übergeben.
„Das schau ich mir nicht an“, murmelt Britta.
„Aller Anfang ist schwer, Hermann!“ Jørgensen klopft dem Mann aufmunternd auf den Rücken. „Rein in die Pfanne!“
Hermann starrt den Fisch an.
Außer dem johlenden Fanklub in der ersten Reihe findet niemand im Saal das Dargebotene sonderlich witzig. Immer mehr Zuschauer sehen einander befremdet an. Jørgensens Kochschüler schaut Hilfe suchend um sich, doch Frau Millstedt hat längst das Weite gesucht.
„Meine Güte! Sollte nicht jemand den armen Tropf erlösen?“ Die Ader an Brittas Schläfe pulsiert wie ein kleiner, blauer Regenwurm.
„Kannst du haben, Mädel.“ Julius erhebt sich.
„Bleib gefälligst sitzen!“, zische ich ängstlich, aber Julius rauer Bariton hallt bereits durch das Studio.
„Ich wette zehntausend Euro, dass sogar die Anfängerkochschüler des Cook & Chill jedes Gericht des Meisters besser hinbekommen!“
Mein Herz setzt aus, ein saftiges „Klatsch!“ tönt aus den Lautsprechern, als Hermann vor Schreck den Fisch fallen lässt. Knut sperrt Mund und Nase auf, die Kamera rotiert um hundertachtzig Grad in die Totale auf Julius´ Gesicht. Jørgensen läuft puterrot an.
„Zwanzigtausend dagegen! Die Starcooks-Crew schmort euch Amateure in Grund und Boden!“
„Die Wette gilt!“
Meine Worte brausen hell und atemlos über den Teppich aus Köpfen, vollziehen eine Kehrtwendung und prallen mit einem Quietschton gegen mein eigenes Trommelfell. Mir wird erst
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