Haertetest
über Töpfchenprobleme, neben meinen umherschwirrenden Gedanken ein weiterer Grund, mich nicht am Gespräch zu beteiligen.
Alles, was mit der Verdauung fremder Kinder zu tun hatte, fand ich eklig. Ich wollte nicht wirklich wissen, ob Tapsi sich traute, Kaka in die Toilette zu machen oder nicht. Dementsprechend konnte ich dann auch nicht jubeln, wenn mir jemand erzählte, dass es nach drei Tagen Verstopfung nun endlich geklappt hatte. Ich konzentrierte mich lieber auf die wichtigen Dinge in meinem Leben.
Was, wenn mit Jessica doch mehr gewesen war? Wenn sie nicht nur geknutscht, sondern beschlossen hatten, die alte Ehefrau, also mich, abzuschieben? Vielleicht hatte er wirklich schon seit Wochen etwas mit ihr.
Jonas nannte mich manchmal »Mutti Kontroletti«, was ich natürlich total furchtbar fand. Aber egal, er hatte auch irgendwie recht. Wenn man nicht alles selber machte, ging es schief. Wenn ich es aber selber machte, ging es auch manchmal schief. Also konnte ich nur hoffen, dass der Tag, der heute so gut begonnen hatte, auch ein gutes Ende finden würde.
»Hier, bitte, eine Maja für dich.«
Ich drückte Jonas unser über und über mit Kuchen verschmiertes, bematschtes, müdes und glückliches Kind in den Arm. Es war halb fünf, und wir waren zu Hause. Die anderen im Kindergarten feierten noch eine wilde und ausgelassene Party.
Schade, dass ich nicht dabei sein konnte. Aber vielleicht bei der nächsten Kindergartenparty. Auch ohne eine Frau Schmidt-Günther würden wir wieder eine Feier auf die Beine stellen. Wir Monstermütter mit unseren Monsterkindern.
»Es wäre schön, wenn sie noch badet und Haare wäscht, und dann darf sie ohne Abendbrot ins Bett«, teilte ich Jonas mit. Er schaute, als würde ich ihm eine Tüte voller Würmer in die Hand drücken. Baden? Haare waschen? Kenn ich nicht! stand in seinem Gesicht geschrieben. Mir egal. Da musste er jetzt durch.
Er war Majas Vater, also sollte er sich auch so verhalten. Baden und Haare waschen inklusive. Er nahm sie auf den Arm. »Na, dann komm mal her, mein Schatz.« Mir warf er giftige Blicke zu. Wollte er mit mir zusammenbleiben, würde sich hier einiges ändern, schwor ich mir.
Maja hatte so viel von dem Kuchen gefuttert, dass sie sich fast den Magen verdorben hatte. Zum Glück hatte sie mir nicht ins Auto gekotzt. Sie würde heute nicht mal mehr einen Toastkrümel verdrücken können.
»Papi, soll is dir mal mein Lieblingslied vorsingen? Sni-Sna-Snappi, Snappi, snappi, snapp.«
Wie sich herausstellte, war Lilly gerade losgefahren. Und sie hatte mir nicht mal mehr Bescheid gesagt oder mir eine SMS geschrieben! Was hatte sie denn bloß? Gestern und heute war sie so distanziert gewesen, und ich wusste einfach nicht, warum.
Jetzt musste ich mich aber schnell zurechtmachen und dann selber los. Und ich hoffte, dass Jessica wirklich erschien. Sonst würde ich im Winterhuder Wohnzimmer nur schnell einen Kaffee trinken und wieder verschwinden und endlich in Ruhe mit Jonas über alles sprechen. Falls Maja mal schlief.
Aber wie ich die Lage einschätzte, müsste Jessica doch sehr daran interessiert sein, mit Jonas über den betreffenden Abend und seine Folgen zu sprechen. Vielleicht versprach sie sich davon sogar, dass er bereit war, eine feste Beziehung mit ihr einzugehen.
Bei dem Gedanken daran wurde mir wieder übel. Mir schlug diese Woche einfach alles auf den Magen. Aber kein Wunder, ich wusste immer noch nicht, was da gelaufen war. Jonas’ Beteuerungen, sie hätten nur geknutscht, könnten auch rein utopisch gewesen sein.
Die Scheibenwischer wischten mit voller Kraft, als ich auf der nass glänzenden Alsterdorfer Straße im schönen, verschnörkelten Winterhude zwischen Alster und Stadtpark meine Runden drehte, um einen Parkplatz zu suchen. Die Straßenlaternen waren schon lange an, dabei war es erst kurz vor sechs Uhr abends. Mitte Oktober wurde es einfach viel zu schnell dunkel.
Oh, eine Parklücke! Da war wohl gerade jemand rausgefahren! Direkt vorm Café! Ich setzte schnell meinen Blinker und ignorierte das Auto, das vor mir rückwärts einscheren wollte. Der Fahrer blinkte nämlich nicht! Ha, also war ich rein rechtlich gesehen im Vorteil!
Schnell rauschte ich vorwärts in die Lücke. Geschafft! Man nannte mich auch die Einpark-Königin! Also, sagen wir mal, ich nannte mich selber so. Aber einparken konnte ich tatsächlich ziemlich gut. Mein Parkplatzkonkurrent drehte sich im Auto um und sah mich böse durch die
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