Haertetest
verdattert, um etwas zu erwidern.
»Ich war sowieso hier in der Gegend« – Lügendetektor schlägt noch wilder aus – »und dachte, es wäre doch schön, wenn wir uns mal zusammensetzen und uns ein bisschen kennenlernen!« Lügendetektor explodiert. Mann, war ich eine gute Schauspielerin!
»Ja, äh, okay … Aber ich kann nicht lange bleiben«, erklärte Jessica zögernd. »Ich bin noch, äh, mit meiner …« Ich hörte gar nicht richtig hin, was sie über ihre Mitbewohnerin erzählte, mit der sie noch irgendwas aufräumen musste. Ihr Lügendetektor schlug mit Sicherheit auch die wildesten Kapriolen. Aber wie kam ich nun an die Wahrheit? Hieß es nicht, in vino veritas? Und war nicht auch Jonas sehr gesprächig gewesen, als er so betrunken nach Hause gekommen war?
»Ja, klar, so viel Zeit hab ich auch nicht. Wir wollen hier ja auch nicht den Abend zusammen verbringen. Aber als Erstes möchte ich mich entschuldigen, wie ich mich im Theater dir gegenüber verhalten habe. Das war ziemlich fies. Ich bin nämlich eigentlich ganz nett.«
Ich lächelte sie an. Sie machte ein Gesicht, als dächte sie: »Aha? Das wäre mir neu.« Aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Sie war im Gegensatz zu unserem Treffen im Theater sehr reserviert. Und ich viel zu freundlich.
»Ich bestelle uns eben was zu trinken, okay? Was möchtest du denn? Ein Glas Wein? Ich weiß was, ich lade dich zu einem Sekt ein. Dann stoßen wir zwei Frauen in Jonas’ Leben mal auf unseren fantastischen Mann an!«
Ich wusste nicht, wie lange ich diese Farce hier noch spielen konnte. Immerhin saß ich der Frau gegenüber, die jeden Tag 8 bis 14 Stunden mit meinem Mann verbrachte. Von der er schwärmte! Die ihn – mindestens – geküsst hatte! Ich musste nicht nett zu ihr sein!
Aber sie schien nichts dagegen zu haben, mit mir etwas zu trinken. Überrascht nickte sie. Dann wickelte sie sich endlich aus ihrem Schal und legte ihre Jacke ab. Sie holte einmal tief Luft und sagte: »Ja, na gut, meinetwegen. Also eigentlich wäre was Alkoholisches jetzt auch ganz schön.« Wahrscheinlich musste sie auf den Schock, mich hier zu sehen, auch erst mal was trinken.
Um kein peinliches Schweigen am Tisch aufkommen zu lassen und möglichst bald Spirituosen vor uns stehen zu haben, sagte ich: »Ich wollte eh schnell mal wohin, da kann ich gleich bestellen.«
Ich musste überhaupt nicht auf die Toilette, obwohl ich wirklich furchtbar nervös war, aber ich wollte nicht mit ihr alleine am Tisch sitzen, bis der Sekt kam. Ich verschwand also schnell, bestellte auf dem Weg unsere Getränke, wusch mir dreimal gründlich die Hände – so eine Art rituelle Reinigung vor der Schlacht –, und zurück ging es, auf in den Kampf.
Auf dem Weg zurück musste ich mich an Lilly und Henning vorbeiquetschen, weil auf der anderen Seite des Tisches ein Kinderwagen den Weg versperrte. Dabei wollte ich die beiden überhaupt nicht stören. Und erst recht nicht Hennings Aufmerksamkeit auf mich ziehen.
Lilly sah mich fragend mit hochgezogenen Augenbrauen an, als ich mich an ihrem Tisch vorbeischob. Ich versuchte ihr mit Gesten zu zeigen, dass Henning von mir nicht besonders begeistert sein konnte und es deshalb besser wäre, wenn er mich nicht sah. Also deutete ich dezent auf Henning, dann auf mich, schüttelte den Kopf, und legte den Finger an die Lippen. Lilly schrie »häh?«, Henning drehte sich um und sah mich an. Ich beeilte mich, zurück zu Jessica zu kommen. Hinter mir rief Lillys Begleiter: »Hier, das ist die, von der ich dir erzählt hab, die mir so dreist den Parkplatz geklaut hat!« Lilly lachte laut auf.
Ich sank wieder auf meinen Stuhl, Henning hatte mich aber weiter im Blick. Böse funkelte er zu mir herüber. Ich ignorierte es und widmete mich ganz der vor mir liegenden Aufgabe.
Der Sekt kam schnell und perlte und funkelte in seinen hohen Gläsern vor sich hin. Jessica sah nicht besonders glücklich aus. Sie sah auf die Uhr. Viertel nach sechs.
»Na, jetzt erst mal prost!«
Ich hob mein Glas, stieß aber nicht mit ihr an. Das fehlte noch!
Als Jessica ihr Glas wieder abstellte, seufzte sie und sagte: »Hach, das tut gut. Das kann ich jetzt wirklich gut gebrauchen.«
Sie sah mich an. Ich tat ihr den Gefallen und fragte höflich: »Ja? Warum?«, weil sie offensichtlich etwas erzählen wollte.
»Ach, die Woche war super anstrengend.«
»Ja, das hab ich schon gehört. Ihr habt ja soooo viel gearbeitet.«
Ich musste höllisch aufpassen, dass
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