Haertetest
Schmidt-Günther stand weiter am Rande der Bühne und pulte sich Kuchen von der Kleidung. Dann verschwand sie hinter dem Vorhang.
Wir bejubelten unseren Sieg! Und wenn unsere Kinder Monster waren, dann waren wir es eben auch! Dann waren wir Monstermütter mit Monsterkindern – Hauptsache, wir waren dabei alle glücklich!
Nachdem Frau Günther ihre Sachen geholt und sich wohl notdürftig mit Wasser aus einem Zwergenwaschbecken gesäubert hatte, stürmte sie unter unserem Gejohle aus dem Kindergarten. »Die Eltern von heute haben alle keine Ahnung!«, kreischte sie uns zu, als eine Windbö ihre braune Dauerwelle erfasste und rund um ihren Kopf aufwirbelte. »Keine Ahnung!«
Dann stolperte sie in ihren Mercedes und knallte die Fahrertür zu. Ihr divenhafter Abgang wurde leider davon ruiniert, dass sie aus der Matschkuhle nicht herauskam, in der sie geparkt hatte.
Wrrrrrrrm, spritzten die Reifen Matsch und Dreck durch die Gegend, bewegten sich aber kein Stück von der Stelle. Ich an ihrer Stelle hätte – spätestens – jetzt furchtbar geheult.
Zwei Väter erbarmten sich schließlich, über den regennassen Parkplatz zu stapfen und den Mercedes anzuschieben. Einige Mütter folgten ihrem Beispiel, und mit vereinten Kräften – das Sozialsystem unter uns Monstern war wohl doch nicht so schlecht – schoben sie Frau Günther auf die trockenen Flächen des Parkplatzes. Dann gab sie Gas und ward nie mehr gesehen. Fehlte noch, dass ihr Auto in einem Feuerkreis und einer Rauchwolke verschwand, aber ganz so war’s dann ja doch nicht. Sie fuhr einfach davon, und wir waren froh.
In der Turnhalle wirbelten noch einige wenige Mütter und kämpften gegen die Matschberge an. Die Schnappi- CD war gegen eine andere getauscht worden. Es lief gerade Zombie von den Cranberries. Julia, die Mama von Frederik, tat so, als hätte sie einen Dauer-Schluckauf, als die Stelle kam, wo die Sängerin so klingt, als würde sie sich verschlucken. Gut gelaunt wischten und putzten hier die Mütter, und auf dem abgeräumten Kuchenbuffet standen ein paar offene Sektflaschen.
Saskia stupste mich an. Ob wir vielleicht noch Freundinnen wurden? »Na, kommst du mit, eine rauchen?«, grinste sie.
»Klar!« Das war doch schon mal ein guter Anfang, befand ich und ging mit ihr nach draußen. Unter dem Windfang war es zwar trocken, aber es stürmte entsetzlich. Wir hatten Mühe, unsere Zigaretten anzuzünden.
»Das war echt super!«, meinte Saskia und kicherte.
Ich nickte und zog an meiner Zigarette. Herrlich. Ich hatte seit vorgestern ganz vergessen zu rauchen. Oder keine Zeit dazu gehabt oder beides.
»Dass du Maja erlaubt hast, als Erste den Kuchen zu werfen, finde ich toll!«, prustete sie.
Ich musste lachen.
»Ja, sie fand das auch toll! Ich kenn doch meine Tochter!«
»Hallo, ach, hier seid ihr! Mann, das war ja krass«, lachte Katha, die sich zusammen mit Julia zu uns gesellte.
Die beiden rauchten zwar nicht, reichten uns aber stattdessen Plastikbecher mit Sekt. Zumindest wollte ich hoffen, dass es Sekt war. Es sah nämlich eher aus wie die Urinprobe beim Frauenarzt, vor allem in diesem weißen Becher mit den Ringen an der Seite.
Nach einem ersten Geruchstest und einem Probeschluck kam ich aber zu der Einsicht, dass es sich doch um Sekt handelte. Und ein kleines Schlückchen zur Entspannung durfte ich mir doch wohl genehmigen. So viel Zeit muss sein, und alles andere kann warten.
Trotzdem war ich innerlich unruhig. Die Gedanken an das Treffen mit Jessica und an die Aussprache mit Jonas wühlten mich auf. Ich hatte ihm erzählt, dass ich mich später mit einer ehemaligen Kollegin in Hamburg auf einen Kaffee treffen wollte. Er war zwar nicht begeistert, hatte aber auch nicht nachgefragt.
Mein flaues Bauchgefühlt wurde wieder schlimmer.
Ich war ja nun wirklich alles Mögliche, redselig sowie emotional, aber c ool war ich noch nie gewesen. Und ich würde heute bestimmt nicht damit anfangen. Ich hatte ja keine Gelegenheit mehr, heute Jonas’ Mails zu checken. Hoffentlich war er nicht auf die Idee gekommen, von zu Hause aus zu arbeiten, und hatte dabei festgestellt, dass das Internet nicht funktionierte.
Dass er heute spontan Lust bekam, Kuchen zu backen und dafür die Rührschüssel herausholte, musste ich wohl nicht befürchten. Sonst hätte er das Internetmodem in der Plastikschüssel gefunden und sich dezent gewundert.
Erst einmal tief durchatmen und noch einen Schluck trinken. Die anderen Mamis unterhielten sich gerade
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