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Haertetest

Haertetest

Titel: Haertetest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katri Dietz
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grabschte sich Muffins, Mandarinenschmandkuchen, gedeckten Apfelkuchen und russischen Zupfkuchen und schleuderte ihn Richtung Bühne. Die Reste wurden schnell von den Händen geschleckt und auch aus den Gesichtern geknabbert.
    Frau Schmidt-Günther schrie weiter in ihr Mikro: »So was Kindisches« – Flatsch, ein Stück Maulwurfkuchen mit Bananenstücken landete auf ihrem schönen grauen Kostüm – »hab ich noch nie erlebt!«
    Das Mikro quietschte noch einmal laut und gab dann den Geist auf. Man sah die Erziehungsfanatikerin jetzt nur noch den Mund bewegen wie eine Bauchrednerpuppe, nur ohne Ton.
    Die Sahne klebte mir schon an den Händen, aber ich beeilte mich, noch mehr Schmandkuchen nach vorne zu werfen. Da ich in Sport schon immer eine Niete war, kam ich natürlich nicht weit und bekleckerte erst Maja, dann die umstehenden Mütter und – ganz – doll – mich.
    Wir kamen aus dem Lachen nicht mehr heraus. Maja hielt ihren Kindergartenfreund Tapsi fest und schleckte ihm das schokoverschmierte Gesicht ab, Saskia naschte mit dem Zeigefinger Apfelkuchen von meiner Wange, und ich zog Julia Pfirsichstückchen aus den blonden Haaren. Die mochte ich dann aber doch nicht mehr essen.
    Unsere Klamotten sahen aus wie Sau. Von den Kindern ganz zu schweigen. Am schönsten fand ich, dass auch die Erzieherinnen des Kindergartens sich eifrig an der Kuchenschlacht beteiligten. Wahrscheinlich hatten sie ewig auf eine Gelegenheit gewartet, Frau Fischer endlich mal kontra zu geben – wenn auch nicht verbal.
    Frau Schmidt-Günther schleckte sich auf der Bühne jetzt auch die Finger ab und sah aus, als würde sie nicht glauben, was da passierte. Ich glaubte es ja selber nicht so recht. Was sie sich kopfschüttelnd in ihren Sahnebart murmelte, war aber nicht zu verstehen.
    Frau Fischer stand rat- und tatenlos am Rand der Bühne und schien nicht zu begreifen, wie sie hier hatte landen können. Aus ihrem kuchenbeschmierten Gesicht gaffte sie mit leeren Augen in die Ferne und wünschte sich ganz weit weg.
    Auf einmal dröhnte aus den Boxen, die in den Ecken an der Decke hingen: »Die Kinderdisco«. Jemand hatte offenbar die Stereoanlage gefunden. Die Kinderdisco können alle mir bekannten Mütter auswendig mitsingen, und das ungefähr seit dem dritten Geburtstag der Kinder. Die Lieder brennen sich ins Gehirn ein und werden dort für immer auf Abruf bereitstehen. Noch mit sechsundachtzig Jahren würde ch nachts aufwachen und erschrocken »Schni-Schna-Schnappi« singen können, falls mich jemand weckt und danach fragt. Ich hoffe aber fest, dass das nicht passiert.
    Auf dieser  CD  des Grauens befindet sich auch mein absolutes Lieblings-Hasslied, das eben schon erwähnte »Schnappi«, sowie der Gorilla mit der Sonnenbrille, gefolgt von Anne Kaffeekanne, »Hey du da im Radio« (das hatte ich seit meiner eigenen Kindheit gehasst und wäre fast ins freiwillige Koma gefallen, als ich auf der »Kinderdisco« wieder damit konfrontiert wurde. Aber was tut man nicht alles für die lieben Kleinen). Maja dagegen jauchzte bei den ersten Klängen von »Schnappi«, warf die Hände in die Höh’ und schrie »Party!«. Dann hüpfte sie, so wild sie konnte, und völlig unrhythmisch hin und her, auf und ab und steckte alle anderen Kinder an. Alles um mich herum fing an zu wogen und zu wabbeln wie ein wild gewordenes Bällebad.
    Saskia stupste mich an. »Da, guck mal!«
    Ich sah auf die Bühne und staunte nicht schlecht. Frau Fischer konnte ja tatsächlich lachen! Wie eine, na ja, ich will jetzt nicht sagen, Primaballerina, aber zumindest nicht ganz so elefantös, wie sie sich sonst gab, tanzte sie mit dem Kita-Hausmeister in seinem grauen Kittel auf der kleinen Bühne, lachte und hatte offensichtlich Spaß.
    Woher dieser Sinneswandel? Hatte sie auf einmal beschlossen, nicht mehr zickig und doof zu sein und Kinder zu akzeptieren, statt zu hassen?
    »Unglaublich!«, flüsterte ich, als Frau Fischer sogar die Kinder zu sich auf die Bühne winkte. »Lasst die Kinder Kinder sein«, mein Artikel für die Zeitschrift fiel mir ein, als Frau Fischer und Herr Schlawenzki ausgelassen mit den  Matschepampe -Kindern zur Kinderdisco tanzten. Oder wie man das nennen möchte. »Hampelten« trifft es wohl eher.
    Die Journalistin des  Pinneberger Tageblattes  knipste wie wild Fotos und rief immer wieder: »Herrlich! Das wird der Aufmacher!«, was viel darüber aussagte, wie es ansonsten um die Nachrichtenwelt in Pinneberg bestellt war.
    Frau

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