Haertetest
zu sein.«
Sie schüttelte missbilligend den Kopf. Einige der anderen Mütter nickten und murmelten brav »hmhm«. Supermutti schaute Beifall heischend in die Runde.
Dann taxierte sie mich. »Ich finde ja, es ist alles eine Frage der Organisation.«
Der Satz kam mir bekannt vor. Und sie setzte noch so eine Plattitüde obendrauf: »Wenn man will, kann man doch alles schaffen. Manche wollen es einfach nur nicht genug.«
Hatten es heute eigentlich alle auf mich abgesehen, oder bildete ich mir das nur ein? Wenn die wüsste, wie sehr ich eine wundervolle Mutter sein wollte! Nur, irgendwie klappte es nie.
Sie lachte affektiert und wandte sich an ihre Sitznachbarin. »Sag mal, Marion, wie geht es denn mit Lasses Vorschule? Bringt er immer noch so schlechte Noten mit nach Hause?«
Marion schüttelte den Kopf: »Na ja, Noten sind das ja nicht direkt. Und er hat sich jetzt schon viel besser integriert. Ich hatte mich nur darum gesorgt, dass es ihm vielleicht keinen Spaß machen könnte, weil er einfach so gerne frei spielt.«
»Ach, er wird sich schon dran gewöhnen«, prophezeite Supermutti. »Und irgendwann muss ja auch mal Schluss sein mit freiem Spiel. Das bringt die Kinder nur auf dumme Gedanken. Klara kann es gar nicht erwarten, endlich in die Vorschule zu kommen. Sie übt ja mit mir schon Rechnen und Schreiben und Lesen und kann bereits leichte Wörter schreiben. Ich meine, ich bringe ihr das nicht bei oder so, sie kann es eben einfach von selbst.«
Wieder schaute Klaras Supermama stolz in die Runde. Jetzt fiel mir ein, dass Klara diejenige war, die ja auch so gerne zum Ballett, zum Karate, zum Kinder-Yoga, zum Fußball und zur musikalischen Früherziehung ging.
»Und wie läuft es bei euch?«, erkundigte sich Lasses Mama höflich. Ich sah ihr an, dass sie eigentlich auch lieber woanders gewesen wäre, und lächelte ihr zu, als sie mich anschaute. Sie lächelte aber nicht zurück. Dann eben nicht.
Etwas beleidigt griff ich mir eine zerfledderte Gala aus dem Lesezirkel, die auf dem kleinen Tischchen vor uns lag. Brad Pitt und Angelina auseinander? Das musste ich unbedingt lesen. Trotzdem konnte ich meine Ohren ja nicht abschalten.
Klaras Mama kam ins Schwärmen: »Du, es läuft alles so toll, ich bin richtig glücklich. Das war die beste Entscheidung, Klara in so vielen Kursen anzumelden. Erst dachte ich, dass ihr das vielleicht ein bisschen viel würde, aber ich meine, Kinder muss man schon von Anfang an formen, sonst wissen sie ja gar nicht, in welche Richtung sie sich entwickeln sollen.«
Das Kind dieser Mutter tat mir wirklich leid. Warum durfte Klara sich denn nicht erst mal von alleine entwickeln? Ich würde mich aber hüten, mich dort einzumischen. So viel hatte ich in viereinhalb Jahren Mutterdaseins gelernt: Kritisiere! Nie! Andere! Mütter! Sonst bist du des Todes! Na ja, nicht direkt, aber man bekommt schon den bösen Blick und wird hinter verschlossenen Türen verhext und verflucht, und das konnte ich im Moment einfach nicht riskieren.
Ich beschloss also, das alberne Gewäsch über die ach so tolle Klara nicht weiterzuverfolgen. Erst mal eine rauchen schien mir ein guter Plan. Es stürmte nur noch mittelmäßig und hatte sogar kurz aufgehört zu regnen, stellte ich fest, als ich durch die automatischen Schiebetüren der Schwimmhalle nach draußen ging und mich unter das Vordach neben den überquellenden Aschenbecher stellte.
Ich rauchte wieder viel zu viel. Während der Schwangerschaft hatte ich komplett aufgehört, und es war mir nicht mal schwergefallen. Nach Majas Geburt hielt ich es als Gelegenheitsraucherin auch ganz gut aus. Seit Jonas befördert worden war und ich immer öfter alleine zu Hause saß, waren es aber nach und nach doch immer mehr Zigaretten geworden. Ich musste langsam mal aufpassen, dass ich über eine halbe Schachtel am Tag nicht hinauskam.
Eigentlich wollte ich ja sowieso wieder ganz aufhören. Aber diese Zigarette brauchte ich jetzt unbedingt, sie flüsterte mir schon zu, wie gut sie mir tun würde, wie ich mich gleich beruhigen würde, wenn ich sie rauchte … Ich zündete sie an und zog daran. Na ja, schmeckte wie immer. Nicht besser und nicht schlechter. Und ruhiger wurde ich auch nicht.
Zu Hause rauchten wir nach wie vor nicht, vor allem nicht in Majas Gegenwart, das war mir ganz wichtig. Gleichzeitig wusste ich, dass sich meine Chancen, wieder schwanger zu werden, durch das Rauchen auch nicht gerade verbesserten.
Ich zog an meiner Kippe,
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