Haertetest
sehr allein erziehend vor.
»Echt, Mama, das Brot schmak voll lecker!«, lobte Maja mich mit leuchtenden Augen, als sie die Treppe vor mir nach oben stapfte. Das sollte mir als Bestätigung wohl reichen. Und nein, ich würde das alberne Brot nicht bei Facebook posten.
Im Badezimmer klebten immer noch zwei Slipeinlagen an der Fensterscheibe und am Waschbecken. Ein Tampon baumelte am Wasserhahn der Badewanne. Darum würde ich mich später kümmern. Jetzt stand mir der unangenehmste Teil des Tages eigentlich erst noch bevor: Maja war das einzige Kind, das ich kannte, das sich seit der Lektüre von Karius und Baktus vor einigen Wochen weigerte, sich die Zähne zu putzen.
»Die armen Bakterien!«, schluchzte sie und presste ihren Mund zu. Dazu verschränkte sie die Arme.
Ich hatte schon alles versucht. Von spielerisch (mit verstellter Stimme und albernen Tsch-tsch-tsch-Putzgeräuschen ließ ich die Zahnbürste sprechen: »Hallo, ich bin die Zahnbürste, ich muss jetzt schnell deine Zähne putzen, dann mache ich hier Feierabend, also lass mich schnell in deinen Mund«) über einen Zahnputzwettbewerb ( Wer es schafft, sich drei Minuten lang die Zähne zu putzen, hat gewonnen – ich hatte mir noch nie so gründlich die Zähne geputzt, aber Maja wollte einfach nicht mitmachen) bis hin zu Bestechung: »Wenn du jetzt artig die Zähne putzt, darfst du dir morgen ein Spielzug aussuchen!« – aber das wurde mir nach zwei Wochen einfach zu teuer – bis hin zu emotionaler Erpressung: »Wenn du dir nicht die Zähne putzt, sind Mama und Papa ganz traurig.«
Die letzte war ihr von allen Methoden am gleichgültigsten. »Na und, dann seid ihr eben traurig. Ich bin ja auch oft traurig«, konterte sie unglaublich clever für eine Vierjährige. Manchmal wünschte ich, sie wäre nicht so klug. Und auch nicht so selbstbewusst. Es wäre für mich einfach insgesamt leichter. Andererseits war sie super, so, wie sie war. Und sie würde sich später immer gut durchsetzen können, davon war ich überzeugt. Und ich machte drei Kreuze und schmiss eine Riesenparty, wenn sie auszog.
Natürlich hatte ich ganz zu Anfang schon versucht, ihr zu erklären, was mit ihren Zähnen passierte, wenn sie sie nicht putzte. Sie bekam Löcher, und die taten weh und mussten schmerzhaft vom Zahnarzt herausgebohrt werden. Trotzdem sorgte sie sich offensichtlich mehr um Karius und Baktus als um ihr eigenes Wohlbefinden.
»Maja, hör zu«, seufzte ich im Badezimmer. Maja hampelte in ihrem Schlafanzug um mich herum, spielte jaulender Hund und warf sich dann auf den Rücken, um gekrault zu werden. »Wuff, wuff, wuff!«
Im Flüsterton fuhr sie fort: »Du musst hundisch sprechen, sonst kann ich dich nicht verstehen!«
Sie hechelte, ich lächelte gezwungen. Es war zwanzig nach sieben, um halb neun wollte Lilly rüberkommen, Maja war noch nicht bettfertig, und ich wollte jetzt einfach nicht hundisch sprechen.
»Wuff«, sagte ich genervt. »Was hältst du davon, wenn wir dir mal die Hundezähne putzen? Sonst muss der Hund leider morgen zum Tierarzt.« Der Maja-Hund nickte und bellte freudig: »Wau!« Überraschend ließ sie mich ohne Geschrei – nur mit Gehechel – ihre Zähne putzen. Ein Gottesgeschenk.
Ich überlegte kurz, ob ich dem Universum auf Knien dafür danken sollte, entschied mich aber, dass eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, und wollte erst mal bis morgen warten, ob sich dieses Wunder wiederholte. Vielleicht sollte ich ihr einfach mal eine elektrische Kinderzahnbürste besorgen, und es würde dann alles ganz leicht gehen? Das musste ich mir dringend aufschreiben, sonst vergaß ich es in zwei Minuten.
»Mama, kommst du?«, quakte Maja aus ihrem Zimmer.
»Ja, Schatz!« Ich war schon auf dem Weg zu ihr.
Moment, ich wollte doch was aufschreiben, was war das nur? Ach, egal. Jetzt lese ich Maja ihr Märchen vor, und dann wollte ich zur Entspannung noch baden, bevor Lilly kam. Und die Küche sah auch noch aus wie ein Schlachtfeld.
Maja kuschelte sich auf meinen Schoß. Ich las Dornröschen.
»Es war einmal vor langer Zeit ein Königspaar, das wünschte sich nichts sehnlicher als ein Kind.« Ja, genau so wie ich.
Innerhalb von Minuten war Maja auf meinem Schoß eingeschlafen.
Es war zehn nach acht, als ich schnell die Küche aufräumte und mir gleichzeitig oben im Badezimmer ein Melissenbad einlaufen ließ. Wieder dachte ich über alles nach, was sich heute ereignet hatte. Dass mich dieser Treuetest im Radio so
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