Haertetest
und der Wind wehte mir meine fisseligen Strähnen ins Gesicht. Drinnen saßen die Supermütter, draußen stand ich. Vom Verstand her wusste ich, dass es so nicht war. Es gibt keine Supermütter. Alle Mütter sind gleich. Aber manche sind gleicher als andere. So wie bei der Farm der Tiere. Heute hatte ich wirklich keine Lust, mich anzugleichen und anzupassen und mit Klaras Supermama über Menschen zu lästern, die ich gar nicht kannte, oder sie in irgendetwas zu bestärken, was gar nicht meiner Meinung entsprach, also hielt ich mich einfach etwas abseits.
Eigentlich konnte sie einem auch leid tun. Sie war ja offensichtlich so unsicher, dass sie ständig die Bestätigung brauchte, wie toll sie das alles machte. Alles an ihr rief: »Seht her, das mach ich doch gut, oder? Ist das nicht toll, was ich mir alles überlege, um mein Kind glücklich zu machen?« Dabei übersah sie aber das Wesentliche: dass ihr Kind bei all den Aktionen gar keine Zeit mehr hatte, glücklich zu sein.
Im Grunde hatte ich übrigens auch gar keine Zeit, mich mit Klaras Mutter zu beschäftigen. Überhaupt musste ich erst mal auf mein Handy schauen. Ich angelte mein Telefon aus der Tasche und las endlich die SMS . Jonas schrieb: »Hi, Schatz, Bandprobe fällt aus. Ich arbeite länger. Kuss.«
Na super. Statt zu seiner liebenden Familie zurückzukehren, verbrachte mein Mann wieder einen Abend im Büro. Vermutlich mit seiner tollen Jessica. Der Ehering in meiner Tasche fiel mir ein. Er hatte immer noch nicht danach gefragt.
Auf seine Nachricht antwortete ich nicht. Mein Herz zog sich in meiner Brust zusammen, so enttäuscht war ich. Wollte er denn überhaupt keine Zeit mit mir verbringen? Musste denn immer alles andere wichtiger sein als ich?
Die Zigarette schmeckte mir nicht, und ich ärgerte mich, dass ich sie überhaupt angezündet hatte. Angewidert warf ich die nur halb aufgerauchte Kippe auf den Boden, trat sie aus und scharrte nachdenklich ein paar Mal darauf herum. So viele Gedanken wirbelten durch meinen Kopf, dass mir schwindelig wurde. Jonas und ich, was wollte Jessica von ihm, unser zweites Baby, Amelie war schwanger, ich sollte Chefin werden, was wollte Lilly mir erzählen, Maja war immer so anstrengend, ich brauchte eine Putzfrau …
Vielleicht kam der Schwindelanfall aber auch nur vom Nikotin. Und gegessen hatte ich heute auch noch nichts, stellte ich gerade fest. Ich warf einen Blick durch die Glasscheibe nach drinnen auf die Uhr. Knapp fünf Uhr. Noch eine Viertelstunde mit den Supermüttern. Dann konnten wir unsere Froschprinzen und -prinzessinnen wieder mit nach Hause nehmen.
Drinnen setzte ich mich wieder auf einen der unbequemen Stühle und zog meinen MP 3-Player aus der Jackentasche. Den hatte ich ja extra für solche Gelegenheiten dabei. Warum war der mir nicht früher eingefallen? Ich vergaß aber auch einfach alles.
Klaras und Lasses Mama unterhielten sich gerade über die Vorzüge von Privatschulen gegenüber staatlichen Schulen – was für eine Überraschung, natürlich war Klara schon seit ihrer Geburt auf einer Privatschule angemeldet. Die Mama von Leonie lächelte mich an, als ich mir die Stöpsel in die Ohren stopfte. Ich lächelte zurück. Vielleicht war sie ja eine von den Guten. Und mit ein bisschen Musik von Pohlmann ließ sich doch alles gleich viel besser aushalten. Ja, wenn jetzt Sommer wär …
»Mamaunddannbinisvomrandgessprungenundfastuntergegangenundvanesssamusstemisrettenaberdiehatzumglückeinenlebenrettungsssseinaberisswärefastertrunkenweilisshabwasserindienasegekriegtaberisskannja…« Ich nickte und lächelte und versuchte, gleichzeitig Majas gelispelten Redeschwall zu verstehen, herauszuhören, ob jetzt Begeisterung oder Bestürzung die angemessene Reaktion war, den anderen nicht im Weg zu stehen, Majas T-Shirt zu suchen, einem anderen Mädchen zu erklären, dass es gerade Majas Pullover anzog, der freundlich aussehenden Mama von Leonie neben mir wieder nett zuzulächeln, aufzupassen, dass ich nicht in Pfützen triefender Mädchen trat, und bei all dem in der siebenhundert Grad heißen Umkleidekabine nicht zu stark zu schwitzen. Mantel und Sweat-Jacke hatte ich in die Ecke geworfen und stand in Jeans und Trägershirt herum.
Wie der Blitz waren alle anderen Kinder angezogen und aus der Kabine verschwunden, um sich artig die Haare föhnen zu lassen. Endlich alleine und etwas Ruhe. Maja sabbelte immer noch ohne Unterlass irgendwo in Höhe meiner Knie, während ich ihre Haare trocken
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