Haertetest
gerade auf allen vieren auf den Weg nach oben machen wollte. Er konnte offensichtlich nicht mal mehr gerade stehen.
Ich schnupperte: Er roch nach Zigarettenrauch, Whiskey und Büro. Nicht nach Kneipe. Kein verdächtiges Parfum. Inzwischen kannte ich seine Ausdünstungen gut genug, um erschnüffeln zu können, wo er gewesen war. Anzahl der Knutschflecken an seinem Hals: null. Lippenstiftabdrücke am Kragen: null. Reumütige blaue Augen: zwei. Trotzdem war ich die Wut in Person. Jetzt reichte es mir!
»Sch-sch–schatz …«, setzte er zum Sprechen an. Er lallte wie ein Seemann auf Landgang.
Aber physisch schwankte er genauso. Er fiel fast wieder hin, als er sich aufrappelte. Ich fixierte ihn. Wo war mein Nudelholz? Ach richtig, ich hatte ja gar keins.
»So. Jetzt erklär mir bitte mal, wo du so lange warst.«
»I-hich …«, stammelte Jonas, dann rülpste er.
Angeekelt starrte ich ihn an. Ich musste wohl deutlicher werden: »Wo warst du?«
»…mmmm Büro«, nuschelte Jonas und wankte. Er konnte mich nicht ansehen. Wahrscheinlich sah er mich schon doppelt.
»Mit Jessica?«
»…mmmmmmit Schessika.« Er nickte.
In vino veritas, also los. Ich schluckte.
»Und bist du verliebt in sie? Habt ihr …?«
Er schwieg und sah auf den Boden. Aha. Mein Herz sackte in meinen Bauch, ganz tief unten. Er liebte sie! Mein Mann liebte eine andere! O mein Gott!
»Sssoffffffie«, nuschelte er. O hört, er versucht zu sprechen! »Du biss die Liebe meines Lehms!«
Na, das mochte wohl nicht viel heißen.
Er schüttelte vehement den Kopf, fasste sich an die Schläfen und hickste wieder. Dann kicherte er. Am liebsten hätte ich ihn geschüttelt!
»Schessika hadd…«, murmelte er. Dann hielt er die Luft an. Er würde mir doch hier nicht, wie Maja noch vor ein paar Stunden, vor die Füße kotzen? Und Jessica hatte was?
Was war denn nun eigentlich los? Ich konnte sein Gestammel und Gestotter nicht einordnen.
»Jonas?«, fragte ich nüchtern. »Alles okay?«
Und meinte damit natürlich: Hast du sie geküsst? Oder Schlimmeres?
Er antwortete nicht, hielt sich nur den Kopf. Dann zog er mich an sich und wollte mich knutschen. Ich wehrte ihn ab, weil mir im Moment nicht danach zumute war, egal wie fruchtbar meine springenden Eier gerade sein mochten. Ich musste erst mal wissen, was hier los war! Und ich war so unendlich sauer auf ihn, enttäuscht und verletzt. Wie konnte er mir das alles antun? Wie sollte ich denn glauben, dass er mich liebte?
Nach allem, was ich bisher gehört und mit eigenen Augen gesehen hatte, glaubte ich im Moment vor allem, dass seine Praktikantin skrupellos war und unsere Ehe nicht ernst nahm und meinte, sie könnte ihn mir abspenstig machen. Wahrscheinlich passte er auch prima in ihr Beuteschema. Attraktiv, erfolgreich und Erfahrung mit Kindern – was wollte man mehr?
»Nein, lass mich los!«, schimpfte ich, als er anfing, seine Hände unter mein Schlaf-T-Shirt zu schieben. »Das kannst du doch jetzt nicht machen! Was hast du mit Jessica gehabt?«
Jonas löste sich von mir, tappte in die Küche und trank das Wasser direkt aus dem Hahn. Dann klatschte er sich etwas davon ins Gesicht. Es hatte wohl keinen Sinn, ihn weiter wegen Jessica zu löchern. Das mussten wir verschieben.
»Wie bist du eigentlich nach Hause gekommen?«, fragte ich stattdessen. So betrunken konnte er ja nicht fahren, und Jonas hasste es, nachts mit der Regionalbahn nach Pinneberg rauszufahren, abgesehen davon läge er jetzt noch schlafend im Waggon und wäre sicher nach der Schleife an der Endstation wieder auf dem Weg nach Hamburg.
Jetzt starrte er mich erschrocken an, murmelte »habnowasvergesn«, kramte in meiner Handtasche herum – hallo? – und schlingerte so schnell er konnte mit meinem Portemonnaie in der Hand wieder zur Haustür hinaus. Häh?
Ich sah ihm nach. Aha, vorne an der Straße stand ein Taxi. Das konnte jetzt teuer werden, immerhin stand der Taxifahrer dort bestimmt schon zehn Minuten und ließ die Uhr laufen.
O Mann Jonas!
Und ich war immer noch nicht schlauer. Er sagte, dass er mich liebte. Ich wusste aber nicht, ob er nicht auch auf kleine Rauschgoldengel stand, die über seine Witze lachten und mit ihm herumalberten.
»Mamaaa!«, rief Maja von oben. Ich hörte sie würgen.
Wo war ich hier eigentlich hingeraten? Ich hatte keine soziale Ader, geschweige denn ein Helfersyndrom! Sonst wäre ich mit Sicherheit Krankenschwester oder Erzieherin oder Sozialarbeiterin geworden. Aber nein, das war ich
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