Haertetest
war. Sofort brachten mich die Bilder wieder zum Schmunzeln.
Auf Majas Werk des heutigen Tages erkannte man bei näherer Betrachtung eine Art Mensch mit deformierten Augen, einer riesigen Nase und einem zum Schrei geöffneten Mund in einem unförmigen gelben Gesicht. Für die meisten wäre es nur ein wirres Krickelkrakel, aber ich sah darin Majas zeichnerische Hochbegabung. Am liebsten hätte ich sie sofort an einer Kunsthochschule angemeldet. Die Ähnlichkeit mit einem Picasso stach einfach ins Auge!
»Das bist du, wenn du Kopfschmerzen hast!«, hatte Maja mir trotz ihres Unwohlseins vorhin stolz verkündet und mir das Kunstwerk entgegengestreckt. Ach, wie lieb von ihr. So rührend, wie sie ihre Umwelt wahrnahm. Ein wirklich kluges Kind hatte ich!
Das wirklich kluge Kind hustete oben in seinem Bett. Ich hielt still und lauschte. Nein, Fehlalarm.
Ich widmete mich wieder meiner Küche. Das sind auch so Sachen, die einem vorher niemand erzählt: Heirate (oder auch nicht), kriege Kinder, kaufe, miete oder baue ein Haus, sei verantwortlich für das geistige und leibliche Wohl der Familie – und du kannst dir statt größerer Brüste erst mal Lappen und Bürsten an die Hände operieren lassen. Ich war nicht Edward mit den Scherenhänden, sondern »Sophie mit den Lappenhänden«. Sobald ich eine Minute für mich hatte, wischte ich immer nur den Dreck weg. Und DAS hatte überhaupt nie und zu keinem Zeitpunkt auf meiner Lebensliste gestanden!
Jonas würde sich sicher freuen, wenn es hier mal wieder sauber und ordentlich war. Auch wenn er nie etwas dazu sagte, ob ich hier putzte oder nicht. Er lobte mich einfach nur dezent, wenn ich mal wieder den Lappen schwang. Und zwar weder übertrieben (mit beiden Händen die Augen bedeckend: »Hilfe, ich werd blind, Schatz, was hast du bloß gemacht, hast du etwa – ich traue mich das grausige Wort kaum auszusprechen – hast du – geputzt?«) noch zu zurückhaltend. (Mit Roboterstimme: »Oh, du hast gewischt, gut.«)
Nein, er war immer lieb, küsste mich und sagte »Hey, super, voll sauber hier, da trau ich mich gar nicht, mit Schuhen reinzukommen. Wann hattest du das letzte Mal gewischt? Wie alt war Maja da?« Dann lachten wir oder so ähnlich.
Auf einmal schien mir mein ganzes Leben mit Jonas so schön, unsere vertrauten Momente, unser Lachen. Ob es jemals wieder so werden würde? Hoffentlich kam er heute nicht zu spät nach Hause.
Morgen Abend wollte ich zum Sport, Lilly hatte sich als Babysitterin angeboten, und wenn es bei mir zu spät wurde, wollte Jonas sicher gleich schlafen gehen. Ich atmete tief durch.
Statt rumzulamentieren und mich noch elender zu fühlen, würde ich Jessica nun mit ihren eigenen Waffen schlagen.
Als der Tisch abgeräumt und gewischt war, sodass ich mit den Ärmeln nicht mehr daran kleben blieb, nahm ich mir einen Zettel, um eine weitere Liste zu schreiben.
Ich liebte Listen! Nach dem Motto Schreibe alles in eine Liste, und dein Leben wird perfekt!, kritzelte ich so gerne jeden Gedanken auf, der sich irgendwie listen ließ. Das hatte Lilly von mir übernommen. Vielleicht half mir das, mich zu sortieren. Denn innere Ordnung hatte ich jetzt noch nötiger als äußere.
Konzentriert notierte ich also alles, was mir einfiel, was mich an mir störte und dringend behoben werden musste und konnte. Ich fing mit meinen Haaren an. Die waren im Moment wirklich das Schlimmste. Grauenhaft! Diese meterlang herausgewachsenen Ansätze einer aschblonden Farbe. Oben am Scheitel sprossen aus dem dunklen Braun meiner Naturhaarfarbe auch nicht wenige graue Haare. Wann hatten die sich denn eingeschlichen? Und warum hatte ich das nicht früher bemerkt?
Bis ich einen Termin bei meiner Lieblingsfriseurin bekam, konnten wertvolle Tage vergehen. Mein Motto lautete: Alles, was du tun kannst – tu es jetzt!
An zweiter Stelle schrieb ich: Sport! Auch das würde ich in Angriff nehmen, nämlich morgen schon.
Drittens: Haut! Ich könnte mir ein Peeling und eine schöne Bodylotion kaufen.
Viertens: Sexy Unterwäsche (Klamotten shoppen). Dass ich mir aufschreiben musste, Klamotten zu shoppen, hätte es früher auch nicht gegeben … Aber ich würde mich ja nun wieder voll ins Leben werfen und mich um mich selbst kümmern! Das versprach ich mir hoch und heilig! Und die sexy Wäsche würde ich Jonas so bald wie möglich vorführen. Früher hatte er diese Modenschauen geliebt, danach hatten wir uns auf dem Bett, dem Boden oder der damals noch sauberen Küche
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