Haertetest
das Telefon komplett ausstöpseln.
»Ja?«
Jemand räusperte sich.
»Na, du bist ja ’ne geile Sau, du Luder, dich hätte ich gerne für meine …« Das reichte, ich legte auf. Schock!
Sofort zog ich den Telefonstecker aus dem Modem im Wohnzimmer. Hier würde heute kein Festnetz mehr klingeln. Dafür würde ich der Anzeigentussi vom Pinneberger Tageblatt einen verbalen Einlauf verpassen, der sich gewaschen hatte! Und dann musste ich mich um eine neue Telefonnummer kümmern! So ein Mist! Als hätte ich nicht sowieso schon genug zu tun! Aber nicht jetzt. Jetzt musste ich mich eben mal beruhigen und den Tag koordinieren.
Maja kicherte über einen dicken Moderator, der einem virtuell animierten rosa Kaninchen über den Bildschirm hinterhersprang. Hü-hüpf. Ich sprang derweil ins Bad und unter die Dusche. Am Spiegel im oberen Flur wunderte ich mich kurz über die auffallend blonde Frau, die mich erstaunt anstarrte, hatte aber keine Gehirnkapazitäten mehr frei, mich damit auseinanderzu – Mooooment … Scheiße!
Waaaah? Was war mit meinen Haaren? O nein! Ich stürzte zurück zum Spiegel. Das hatte ich ja ganz vergessen. Ja, meine Haare waren jetzt sehr hellblond mit gelegentlichen dunklen Flecken, wo die Creme nicht richtig verteilt war. Ich betrachtete mich von allen Seiten. Jetzt wusste ich, was Maja damit meinte, dass ich aussah wie ein Engel.
»Och, ich finde das aber gar nicht so schlecht«, beruhigte Lilly mich, als sie eine Stunde später prüfend meine Haarfarbe in Augenschein nahm. Zumindest die Strähnen, die unter meiner Mütze herausragten. Kurz nach meinem panischen Anruf war sie zum verabredeten Latte macchiato zu uns gekommen. Immerhin hatte sie ja diese Woche Urlaub, sodass wir uns öfter sahen als sonst. Ich hatte mich für heute bei der Arbeit krank gemeldet und Amelie dafür versprochen, so lange ich lebte und weit darüber hinaus jede Arbeit anzunehmen, die sie mir auftrug.
Lilly zupfte an einigen Strähnchen, sagte »hm-hm« und »oha« und meinte abschließend: »Aber irgendwann musst du die Mütze auch mal wieder absetzen. Ich meine, die steht dir, aber so kannst du ja nicht ewig rumlaufen.«
Ja, da hatte sie recht. Ich setzte meine rosa Mütze so geschickt auf, dass man einige blonde Ponysträhnen sah und sonst nichts von der verhunzten Farbe. Gleich heute Nachmittag würde ich meine Friseurin aufsuchen. Lilly hatte angeboten, währenddessen auf Maja aufzupassen. Genauso wie heute Abend, wenn ich endlich meinen Gutschein für ein neues Lady-Fitness-Studio in Pinneberg einlösen würde.
Meine Schwiegereltern konnte ich als Babysitter vergessen. Die hatten Maja zweimal betreut und dann einstimmig entschieden, sie erst wieder zu nehmen, wenn sie gelernt hatte, wie man am Tisch mit Messer und Gabel aß und dass Deko-Tiere aus Glas nicht zum Herumwerfen geeignet waren. Ich befürchtete, dass dieser Zeitpunkt noch in ferner Zukunft lag.
Maja saß weiterhin brav vorm Fernseher. Heute durfte sie mal ausnahmsweise länger als die pädagogisch wertvollen dreißig Minuten sehen. Dafür mischte sie sich auch nicht in unser Erwachsenengespräch ein. Sie knabberte Kekse und trank Kamillentee. Von Übelkeit und Fieber keine Spur mehr. Es handelte sich wohl um den sogenannten Eintagsvirus. Solange das Fieber unten blieb, würde sie morgen wieder in den Kindergarten gehen und nachmittags ihre Seepferdchen-Prüfung machen, entschied ich. Heute hatten wir frei.
Neben meiner neuen Haarfarbe musste ich mit Lilly auch noch die neueste Jonas-Episode besprechen. Lilly deutete auf unsere »Treue«-Liste, die ich auf den Küchentisch gelegt hatte.
»Schau, dann müssen wir uns jetzt da weiter durcharbeiten. Du hast ja immer noch keinen Beweis! Du kannst ihn nicht mit etwas konfrontieren, wenn du keine Beweise hast.«
Ich seufzte. Was wollte sie denn noch? Mein Gefühl war der Beweis! Aber sie hatte recht. Ich brauchte etwas Handfesteres als ein Gefühl.
Aber wie sollte ich das anstellen? Punkt zwei war, ich sollte sein Handy checken. Das war natürlich nicht hier, sondern bei ihm in der Firma. Und ich wusste auch nicht, ob ich es übers Herz brachte, in seinen SMS herumzuschnüffeln. Ich fand, das gehörte sich nicht. Es gehörte sich aber genauso wenig, morgens um fünf besoffen nach Hause zu kommen, ohne seiner Frau Bescheid zu sagen, wo man steckte.
Folgte Punkt drei: Taschen, Schubladen und Kontoauszüge checken.
»Lilly, meinst du wirklich, dass wir das tun
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