Haertetest
öffnete ich eine Flasche Wein. Okay, ich hatte gestern schon was getrunken, aber gegen ein Gläschen war wohl nichts einzuwenden.
Lilly simste, dass sie mit Henning telefonierte. Ich war ein bisschen neidisch. Nein, ich wollte keine Affäre haben. Aber sie hatte wenigstens jemanden, mit dem sie sprechen konnte. Ich wünschte ihr viel Spaß und ging dann daran, meine inzwischen dunkellila Creme auszuwaschen.
Kopfüber hing ich über der Badewanne, die Dusche rauschte, hellblaue Rinnsale liefen aus meinem Haar in den Abfluss, und ich hatte nicht hören oder sehen können, wie Maja das Badezimmer betrat. Auf einmal stand sie neben mir und zupfte an meiner Hose. Ich erschrak und ließ fast den Duschkopf fallen. Meine Haare trieften, und die Blondiercreme tropfte auf den Badvorleger.
»Mama, mir geht’s slecht«, nuschelte Maja. War sie vorhin leichenblass gewesen, glühte sie nun rot und schwitzte. Sie hatte hohes Fieber, ungefähr neununddreißig neun – das sah mein geübtes Auge schon von hier.
»Warte mal, Schatz.«
Schnell spülte ich den letzten Rest Aufheller aus meinen Haaren, schlang mir ein Handtuch um den Kopf und versuchte, sie zu trösten.
»Maus, das kriegen wir schon wieder hin.« Ich kniete mich zu ihr und nahm sie in den Arm. Als Dankeschön würgte sie mir ihren halb verdauten Kartoffelbrei mit Erbsen auf den Schoß.
Ganz ohne Vorwarnung. Prima. Jetzt hatte ich wenigstens etwas zu tun und dachte kein Stück mehr daran, ob Jonas und Jessica das taten, was sie nicht tun sollten, oder brav in seinem Büro saßen und arbeiteten.
Den weiteren Abend und die halbe Nacht verbrachte ich damit, Majas Temperatur zu messen, ihr Fiebersaft zu verabreichen, den sie sofort wieder erbrach, ihr Bettzeug und ihren Schlafanzug zu waschen, und das wiederholte sich bis morgens um halb vier. Sie musste sich noch viermal übergeben, ich hielt ihr den Eimer und streichelte ihren Kopf.
Jonas war immer noch nicht zu Hause. Gegen zwölf wurde mir mulmig zumute, gegen eins wurde ich panisch und rief ihn an. Er ging nicht ran. Auf meine SMS antwortete er nicht, auch nicht, als ich ihn anflehte, sofort nach Hause zu seiner Frau und seinem kranken Kind zu kommen. Das hohe Fieber von Maja war ja nicht mal gelogen! Dann wurde ich wütend. Ich verstand die Frauen, die ihren Gatten an der Haustür mit dem Nudelholz eins überbrieten.
Was dachte er sich eigentlich dabei, nicht nach Hause zu kommen und sich nicht mal zu melden? Ich bekam keine SMS , er rief nicht an. Ich fühlte mich so elend wie noch nie in meinem Leben. Jetzt brauchte ich auch keinen Treuetest mehr. Die Sache war wohl klar. Er arbeitete mit Jessica, vielleicht tranken sie den Sekt oder Whiskey, den er zur letzten Premiere geschenkt bekommen hatte, sie gingen zu ihr und … Furchtbare Bilder schossen mir durch den Kopf, aber daran wollte ich nicht denken.
Vielleicht stimmte ja auch alles nicht, was ich mir nachts um halb vier in meinem müden Hirn einbildete, und alles war wie in der Geschichte mit dem Hammer von Kommunikationsguru Watzlawick. Der eine denkt, ich frag mal meinen Nachbarn, ob der mir seinen Hammer leiht. Hm, und wenn er ihn mir nicht leihen will? Vielleicht hat er ja was gegen mich! Bestimmt hat er was gegen mich. Neulich hat er mich ja schon so komisch angesehen, als er mich gegrüßt hat. Und letzte Woche hat er mich gar nicht mehr gegrüßt. Wieso bildet er sich überhaupt ein, dass ich auf seinen Hammer angewiesen bin? Das Ende dieses Gedankenspiels ist, dass der Mann zu seinem völlig ahnungslosen Nachbarn rennt, klingelt und ihn anschreit: »Du kannst deinen bescheuerten Hammer behalten – ich will ihn gar nicht haben!«
Oder aber, noch schlimmer: Es war Jonas etwas zugestoßen! Vielleicht hatte er auf dem Weg nach Hause einen Unfall gehabt! Was, wenn er nun irgendwo im Krankenhaus lag?
Schon im dämmerigen Zustand des Halbschlafs stellte ich mir vor, wie ein Notarzt versuchte, mich anzurufen, und dabei eine falsche Nummer wählte.
Trotz meiner sorgenvollen Gedanken schlief ich irgendwann erschöpft mit Maja im Arm ein. Im Traum fragte ich Jonas nach einem Hammer, den wir dann im ganzen Haus gemeinsam suchten.
Um fünf war ich wieder wach, weil es unten polterte. Jonas! Gott sei Dank! Mit Sicherheit sturzbetrunken – ich kannte ja meinen Mann, wenn er um diese Uhrzeit nach Hause kam –, aber immerhin war er zu Hause! Ich sprang aus dem Bett, rannte die Treppe nach unten und stand Jonas gegenüber, der sich
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