Haertetest
bekanntlich zuletzt. Ich liebte Jonas, er sagte, er liebte mich auch, und obwohl er heute Morgen stockbesoffen nach Hause gekommen war und sich den ganzen vergangenen Abend nicht gemeldet hatte, gab ich unserer Ehe noch eine Chance. Wenn wir jetzt keinen Beweis für seine Untreue fanden. Und eine lächerliche Buchungsbestätigung war ja nun wirklich kein Beweis.
»Was ist das denn hier?«
Lilly wühlte in der zweiten Schublade zwischen alten Uni-Unterlagen, wichtigen Dokumenten und Kontoauszügen von vor zehn Jahren und zog ein weißes Schächtelchen heraus. Christ stand darauf in goldener Schrift.
»Das ist vom Juwelier!«, staunte ich. Von Christ waren auch unsre weißgoldenen Eheringe und die Kette mit dem Engelanhänger, die er mir zu Majas Geburt geschenkt hatte.
»Mach mal auf«, forderte Lilly.
»Das kann ich doch nicht aufmachen, vielleicht soll das ja ein Geschenk für mich sein. Lilly, ich fühl mich echt unwohl dabei.« Wir konnten doch nicht ernsthaft seine Sachen durchwühlen! Darüber zu sprechen war das eine, aber es wirklich zu machen etwas ganz anderes! Jeder in diesem Haus hatte ein Recht auf seine Privatsphäre.
»Dann mach ich es.«
Sie nahm mir das Kästchen aus der Hand, öffnete den Deckel und starrte auf ein silbernes Schmuckstück. Ein Kettenanhänger mit einem Skorpion-Sternzeichen und einem ausgestanzten Herzen. Schön sah das aus.
»Jonas ist Skorpion«, erklärte ich Lilly, die mich fragend ansah.
»Aber für wen sollte der Anhänger sein?«, fragte sie.
»Na ja, für mich, nehme ich an!« Ich wurde jetzt wirklich gleich zickig, wenn sie nicht damit aufhörte, ihm etwas zu unterstellen. Sie drehte ja alles so hin, als würde er mich tatsächlich betrügen. Hatte Jessica eigentlich eine Kette getragen? Ich konnte mich nicht daran erinnern.
Ich trug jeden Tag den Engel. Er gab mir Kraft, und ich fühlte mich beschützt. Ob ich den gegen einen Skorpion-Anhänger würde tauschen wollen? Das wusste ich nicht. Vermutlich hatte Jonas den Anhänger schon vor dem Engel gekauft, oder er hatte den Anhänger in der Schublade vergessen, überlegte ich. Ich musste wirklich dringend mit ihm sprechen, jetzt dringender denn je. Ich musste ihn mit den Fakten konfrontieren und seine Stellungnahme abwarten. Das sagte ich Lilly.
»Nein, mach das nicht! Dann kann er sich doch noch rausreden! Warte lieber, bis du wirklich einen Beweis hast!«
»Lilly – wo nichts ist, gibt es auch keinen Beweis!«, versuchte ich ihr zu erklären.
»Na schön, er betrügt dich nicht!«
Jetzt wurde sie ironisch. Den Tonfall kannte ich. »Und warum kommt er dann die ganze Nacht nicht nach Hause? Warum ist er lieber mit Jessica unterwegs statt bei seiner Familie? Warum arbeitet er immer so lange? Mach doch mal die Augen auf, Schätzchen! So kann das jedenfalls nicht weitergehen!«
Ja, da hatte sie recht. Aber ich wusste noch nicht, wie es weitergehen sollte. Wenn ich Jonas doch nur erreichen könnte. Und ich meinte, nicht telefonisch, sondern emotional. Das war das eine. Das andere war, dass Lilly vielleicht einen Tick zu begeistert war von der Idee, Jonas könnte mich betrügen. Vielleicht war sie auch nur so erpicht darauf, mich zu unterstützen, damit sie sich nicht mit ihrer eigenen Ehe auseinandersetzen musste.
Bevor ich ihr das aber sagen und damit vielleicht einen handfesten Streit provozieren würde, hörte ich Majas zartes Stimmchen durchs Haus gellen: »Maaaamaaa! Ich hab A-a gemacht!«
So eine Kinderkacke! Ich erledigte meine Pflicht, so schnell ich konnte, und als ich wieder nach oben ins Schlafzimmer kam, telefonierte Lilly auf dem Handy.
»Ja, okay. Ja, wenn’s sein muss, dann komme ich. Wie, ach so, jetzt gleich?« Sie warf mir einen genervten Blick zu und verdrehte die Augen. »Okay, bis gleich.«
»Musst du weg?«, fragte ich, obwohl ich es ja gehört hatte. Lilly regte sich kurz auf, dass sie trotz ihres Urlaubs noch einmal in den Blumenladen musste, in dem sie arbeitete. Ihre neue Kollegin kam mit der Kasse wohl nicht zurecht, und Lilly sollte ihr dort etwas zeigen.
Ich brachte sie zur Tür, und wir sprachen nicht über Jonas und Jessica und auch nicht über Holger und Henning. Immer deutlicher wurde mein Gefühl, dass sich da ordentlich etwas zusammenbraute und dass Lilly diese Abberufung aus meinem Schlafzimmer durch ihre Kollegin ganz gelegen kam. Und ich brauchte auch eine kurze Verschnaufpause.
Um halb sieben wollte sie wieder hier sein und Maja
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