Haertetest
ins Bett bringen. Mein Körpersanierungsplan lief ja auch noch auf Hochtouren. Und ich musste jetzt erst mal dringend zusehen, dass ich noch einen Friseurtermin bekam.
Dass ich abends beim Aerobic-Kurs meine Wintermütze trug, schien die anderen nach kurzer Zeit nicht mehr zu irritieren. Ich kommentierte es einfach nicht und ignorierte die neugierigen Blicke, als ich in Sportklamotten und mit meiner Wasserflasche unter dem Arm den Kursraum betrat. Natürlich starrten mich alle an. Aber niemand sagte etwas. Das war doch schon mal gut. Nach fünf Minuten hätten sich eh alle daran gewöhnt, redete ich mir ein. Und lieber wollte ich beim Fitness »die mit der Mütze« sein, als »die mit den scheckigen Haaren«.
Leider hatte ich trotz ausgiebiger Recherche keinen Friseurtermin mehr für diese Woche bekommen. Weder in Pinneberg noch im Umkreis. Zu einem Friseur in Hamburg wollte ich nicht, dort hätte ich über hundert Euro für neue Strähnchen bezahlt, und zu einem Marktkauf-Friseur ohne Terminvergabe ging ich aus Prinzip nicht. Nicht dass ich hinterher noch schlimmer aussah! Lieber trug ich die ganze Woche meine Mütze und tat so, als sei das der neuste Trend.
Als ich gegen kurz vor sechs den Tränen nahe noch einmal die Chefin meiner Lieblingsfriseurin anrief, konnte ich sie doch erweichen. Letztendlich räumte sie mir gleich für Anfang nächster Woche einen Termin ein. Aber sie schimpfte auch ein bisschen mit mir: »Also, Frau Ahorn, es gibt eine wichtige Regel im Leben: Mit Geld, Essen und Haarfarbe spielt man nicht. Montag halb zehn?«
Ich hatte dankend angenommen. Und schwitzte jetzt im hell beleuchteten Kurssaal schon unter der warmen Wollmütze, obwohl ich mich noch fast gar nicht bewegt hatte.
»So, ihr Lieben, wir brauchen heute Longhanteln, Swingsticks, Tubes, den Step und eine Matte. Los geht’s!«
Die Trainerin hatte sich das bewegliche Mikro ihres Headsets ganz nah an den Mund gedrückt. Es rauschte und gab eine unangenehme Rückkopplung. Bis auf Matte hatte ich kein Wort verstanden. Das lag jetzt aber nicht unbedingt an der Technik. Eine Matte hatte ich mir schon ganz zu Beginn des Kurses geholt, das war nicht das Problem. Als ich gesehen hatte, dass die anderen neunundzwanzig Teilnehmerinnen lautlos und wieselflink zu den Turnmatten eilten, hatte ich es ihnen einfach nachgemacht und mir schnell eine Gummimatte von der Wandhalterung gerupft.
Aber was war eine Longhantel? Ein Swingstick? Ein Tube? Ich versuchte zu erkennen, was die anderen taten. Die hatten sich in vier Gruppen aufgeteilt, stürmten behände den Geräteraum und wieselten im großen Turnsaal herum, bis sie nach ungefähr einer Minute ihre Sportutensilien beisammen hatten und auf der Stelle trabten. Und das alles, ohne ein Wort zu sprechen oder eine Miene zu verziehen. Gruselig!
Vielleicht hätte ich doch lieber dem hübschen Trainer am Empfang sagen sollen, dass das wirklich das erste Mal war, dass ich an einem Aerobic-Kurs teilnahm. Und dann auch noch an einem mit dem vielversprechenden Namen »Body Complete Surprise«.
Aber er war so unglaublich durchtrainiert und dabei auch noch nett gewesen, dass ich es einfach nicht übers Herz gebracht hatte, mich als blutigen Anfänger zu outen. Vielmehr hatte ich beteuert, Body Complete sei »eine meiner leichtesten Übungen!«, und hatte ihn charmant angelächelt. Das hatte ich jetzt davon: einen Saal voller aerober Turntussis, eine Rückkopplung auf den Ohren und keine Ahnung, was ich hier machen sollte.
Um überhaupt etwas zu tun, rannte ich orientierungslos erst nach vorne in Richtung Spiegel, dann nach rechts, zur Abwechslung nach links. Aha, hier stand irgendwas, was die anderen sich auch geholt hatten: diese Metallstangen, die aussahen wie aus dem asiatischen Kampfsport. Das waren wohl lange Hanteln. Kombiniere: Longhanteln! In einem Kasten lagen runde Scheiben, ich nahm an, Gewichte, und komische gebogene Klammern. Wie montierte man die denn? Ein Königreich für eine IKEA -Beschreibung!
In meiner Not sah ich mich um, ob mir nicht jemand helfen könnte. Eine freundliche junge Dame trat an meine Seite, lächelte und schraubte mir – wortlos – in Sekundenschnelle zwei schwer aussehende Platten an die Enden der Stange. Das Ganze drückte sie mir in die Hand. Ich ging in die Knie. Was machte man bloß damit? Ich konnte es jedenfalls kaum eine Sekunde halten. Die wortlose freundliche Dame griff jetzt nach einem Gummistock (
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