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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
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ihm wohl. Camerer gehörte keinem Geheimbund an, äußerte dennoch republikanische Ansichten und verkehrte in der besten Gesellschaft. Die Freundschaft wurde rasch geschlossen und brauchte sich nicht zu bestätigen. Ihm vertraute Hölderlin sich an. Camerer stand ihm auch in den alltäglichen Reibereien bei. Fritz von Kalb schien jetzt entschlossen, seinen Lehrer aus dem Haus zu treiben. In den Stunden, die sie nach den Waltershauser Gepflogenheiten fortsetzten, redete er entweder vor sich hin, heuchelte Krämpfe, schiß in die Hose oder schlief oder onanierte, selbst wenn Camerer anwesend war, den Hölderlin um Beistand gebeten hatte.
    Blind vor Wut hatte Hölderlin den Jungen einige Male geprügelt. Fritz, die Gelegenheit nutzend, hatte gebrüllt wie kurz vorm Tode und die Nachbarn aufgeschreckt, die sich beim Buchhändler Voigt über die grauenvolle Behandlung des Kindes beschwerten. Man könne es ja sehen, der Hofmeister sei am Ende der Kräfte, kränklich, allzu empfindsam und sicher kein tauglicher Erzieher für den armen Buben. Camerer, bei dem Hölderlin nach den Fichteschen Vorlesungen, die abends von sechs bis sieben dauerten, manchmal schlief, auch auf Anraten der Haushälterin, die sich zutraute, mit dem Flegel allein zurechtzukommen, Camerer ging zu Voigt, versuchte den irritierten Mann zu bereden, es handele sich um bösartige Gerüchte. Manchmal müsse der Herr Magister eben härter zupacken. Aber Voigt hatte Charlotte schon informiert. Auch von anderer Seite war sie auf die »äußerst harte Behandlung« ihres Sohnes durch Hölderlin aufmerksam gemacht worden. Sie batSchiller um ein Treffen in Erfurt, wo man die Trennung von Hölderlin »auf die ruhigste, delikateste Weise« besprechen könne. Schiller war nicht bereit zu vermitteln.
    Fritz, dem es nun doch vor einem neuen Hofmeister Angst ist, steckt zurück; er wolle brav sein und außerdem möge er es, wenn Herr Camerer zu Besuch komme. Der habe einen guten Einfluß auf ihn. Er könne so lustige Geschichten erzählen. Es gelingt dem Jungen, Charlotte umzustimmen. Hölderlin solle mit Fritz zu ihr nach Weimar kommen. Hölderlin weiß, daß Fritz aus Not heuchelt, daß es ihm nicht mehr gelingen wird, dessen Vertrauen zu gewinnen.
    Camerer redet ihm zu, in Jena zu bleiben.
    Weimar ist Goethes Stadt. Dorthin möchte er eigentlich nicht. Er ahnt, daß die Allgegenwart des großen Mannes ihn bedrücken wird. Er kann aber Charlottes dringlichem Bitten nicht widerstehen, reist mit Fritz nach Weimar. Kaum ist Fritz bei der Mutter, verfällt er in die alten Unarten.
    Endlich erkennt Charlotte, daß eine Fortsetzung dieses Verhältnisses sinnlos sei. Mit Fassung setzt sie allem ein Ende. Goethe war kurz zu Besuch gewesen, er hatte Hölderlin begrüßt, sich mit ihm unterhalten, worauf er in seinen Briefen über Hölderlin nie zurückkommt, Charlotte war froh, daß alles ohne Spannung verlaufen sei, und Hölderlin findet im nachhinein, Goethe habe etwas von einem »herzguten Vater«.
    Sie werden sich auf Goethe berufen können, sagt Charlotte, und natürlich auf mich! Sie läßt Hölderlin tatsächlich nicht aus ihrer Aufmerksamkeit, selbst verfolgt vom Unglück, und in Armut geraten. Immer wieder wird sie sich nach ihm erkundigen.
    Sie redet offen, auch über seine finanzielle Lage; macht es ihm leicht.
    Es ist betrüblich. Es lag nicht an Ihnen. Das Kind – Sie wissen es ja besser.
    Es stecken gute Gaben in Fritz, antwortet er. Ich war nur nicht fähig. Meine Ungeduld.
    Das ist wahr, sagt sie, geduldig sind Sie nicht. Werden Sie nach Nürtingen gehen, nach einer neuen Hofmeisterstelle suchen? Empfehlen Sie mich Ihrer Mutter, der ich noch schreiben werde.
    Sie und Johanna hatten Briefe gewechselt, Charlotte wußte, wie ängstlich Johanna den Weg ihres Sohnes beobachtete, wie behutsam man ihr diese Entscheidung, diese Nachricht über das erste Scheitern im Beruf, erklären mußte.
    Ich danke Ihnen, Frau Hofrätin. Ich werde gleich nach Hause schreiben. Meine Mutter macht sich zu viele Sorgen.
    Sie gehen also nicht nach Nürtingen?
    Ich werde in Jena bleiben. Vielleicht kann ich an der Universität lesen. Oder hier, in der Gegend, Hauslehrer sein. Ich habe Freunde, und Herr Hofrat Schiller wird mich empfehlen.
    Sie gibt ihm, als Entschädigung, Geld für ein Vierteljahr mit. Er werde es brauchen können.
    Und Sie müssen uns oft besuchen kommen, da wird sich dann Fritz auch von seiner besseren Seite präsentieren.
    Vielleicht hat sie ihn geliebt, hat mit dem

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