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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
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Freude; daß ich behalten möge, wie ich gekommen bin, bis hieher!«
    Muß er so schreiben, weil sie ihn aushorchen wollen? Kraz, der zufällig im Hause ist und ihm auf der Treppe begegnet,verwickelt er in ein schwindelndes philosophisches Gespräch.
    Warum hören nur die Winter nicht mehr auf, Verehrtester?
    Aber wir haben erst November, Fritz.
    Es ist kein Ende abzusehen.
    Bis zum März werden wir noch mit Frost rechnen müssen.
    Mit Frost wohl, Herr Magister, und länger noch, doch nicht mit März.
    Ist dir denn kalt, Fritz?
    Der Mensch, die Bestie, hat den Sommer geplündert, Herr Diakon, und die Republik dem Winter überlassen.
    Das wird mir zu schwierig, Fritz.
    Zu schwierig? Haben alle vergessen, mit welchen Jahreszeiten wir zu rechnen haben und sich nun nicht darauf eingerichtet. Das ist arg.
    Ja, das ist arg. Ade, Fritz.
    Ade, Herr Diakon. Erlauben Sie mir, daß ich mich bei Gelegenheit wieder mit Ihnen unterhalte?
    Soll ich dich besuchen kommen?
    Lieber nicht.
    Mit dem Gedicht für den Landgrafen kommt er jetzt besser voran. Zu Weihnachten schenkt er den Kindern bizarre Männchen, die er aus Kastanien und Holzstäben gebastelt hat, und für Silvester bekommt er von der Schwester die Erlaubnis, mit den Kleinen durch die Stadt zu gehen, Lichter zu betrachten, um Mitternacht den Turmbläsern zuzuhören. Die Brunnen sind alle zugefroren.
    Eis ist die Erinnerung an das Wasser, nicht das Wasser selbst, erklärt er den Kindern. Was dem Befinden des heutigen Menschen gleicht.
    Sing lieber was, Onkel Fritz.
    Am 13. Januar 1803 sendet er Sinclair die Hymne »Patmos« für den Landgrafen. Sinclair überreicht die Handschrift dem Fürsten zu dessen fünfundfünfzigstem Geburtstag. Der Landgraf habe sie mit Freude und Dank aufgenommen und freue sich, Hölderlin in Homburg zu sehen. »Sobald die rauhe Witterung vorüber ist, rechne ich mit dem Frühling auf Deine Ankunft.«
    Die Freunde haben ihn nicht vergessen. Böhlendorff bemüht sich um einen Verlag für die Sophokles-Übersetzung, Charlotte von Kalb, die einige Wochen in Homburg wohnt, eine der zahllosen Stationen ihres Reisedaseins, läßt sich »bestens empfehlen«, und »um ihretwillen auch wird es mir sehr lieb sein, wenn Du kommst: ihr lebhafter Geist erfordert mehr als einen Gegner, und bei ihrer Bildung wird nichts verschwendet, wie in ihrem Umgang nichts versäumt wird.« Landauer, einer der Treuesten, ist bekümmert über sein Schweigen, wirbt um ihn: »Was machst du? Wahrscheinlich arbeitest Du den ganzen Tag und die halbe Nacht, daß Du gar keine Kunde von Dir giebst, mich so gar nicht mehr besuchst. Ich gestehe Dir, Freund, es thut mir offt schmerzlich wehe, wenn ich daran denke, daß Deine Freunde Dir nichts mehr zu seyn scheinen, weil Du es nicht für die Mühe werth hältst, Dich um sie zu erkundigen.«
    Sobald der Winter vorbei sei, kündigt er den Kindern an, wolle er aufbrechen und nach seinen Freunden sehen. Augenblicklich, fügt er hinzu, macht es mir noch Mühe, auf andere zu hören.
    Klopstock ist gestorben. Hölderlin liest es in der Zeitung, rennt so unglücklich in der Stube auf und ab, daß Johanna und Rike nach ihm sehen.
    Ich habe ihn verehrt.
    Wen, Fritz?
    Klopstock. Klopstock ist tot. Wenn ich dem Karl nur wieder vorlesen könnte. Weshalb verreist er zu dieser ungünstigen Zeit.
    Doktor Planck erwartet neue, schreckliche Anfälle.
    Selbst die Kinder läßt er nicht mehr zu sich. Die Vorleser aus der Lateinschule haben nun Angst vor ihm.
    Geht es ihm ein wenig besser, stellt er sich in die Küche zur Mutter, bettelt um Neuigkeiten. Sie sagt, was ihr eben einfällt. Der Köstlin hat ein Enkelchen gekriegt. Unsere Breunlins sorgen sich so um ihre Tochter. Die Kühe vom Kurz haben eine Seuche. Der Sohn vom Doktor Planck ist jetzt der Beste auf der Lateinschule. Die Mathilde, Schellings Tante, hat gesagt, daß dein Freund in Murrhardt seine Eltern besucht. Er will sich verheiraten, denk nur.
    Ich geh.
    Wohin?
    Nach Murrhardt.
    Bleib, Fritz.
    Er läßt sich nicht aufhalten, sie rufen, laufen ihm nach. Was er sich denn denke. Schelling werde überhaupt keine Zeit für ihn haben. Laß es doch, Fritz. Wann kommst du zurück?
    Er läuft, den Wegen nicht folgend, über Felder, an Köngen, Plochingen, Schorndorf vorüber, dann durch den Wald bis Ebni und Murrhardt. Wie ein Geist steht er plötzlich im Garten hinter Schellings Haus.
    Hölder? Das kann nicht wahr sein.
    Ich muß dich sprechen.
    Gewiß, komm ins Haus.
    Schelling stellt ihn seiner

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