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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
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das Wort, die furchtbare Einsicht auf Patmos, die Vision der Apokalypse. Aber die ersten Verse, die ihm noch in Regensburg gelangen, waren so übermächtig, daß er nur mit äußerster Anstrengung dagegen anschreiben konnte, so daß er sich wünschte, die Zeilen nicht nacheinander zu schreiben, sondern übereinander, wie Schichten, die sich miteinander verbinden oder gegenseitig zerstören. Er hatte dem Landgrafen das Gedicht versprochen. Er mußte es fertigstellen. Man hatte ihn herausgefordert, gegen Klopstock anzutreten. »Gütig sind sie, ihr Verhaßtestes aber ist, / Solange sie herrschen, das Falsche, und es gilt / Dann Menschliches unter Menschen nicht mehr.«
    Was sind die neuesten Nachrichten von der Republik? schreit er ins Haus.
    Pst! ruft Heinrike, das könnten die Breunlins hören.
    Und Karl antwortet: Die Republik steht im elften Jahr und wir rechnen das eintausendachthundertdritte.
    Hölderlin schlägt die Tür zu, dreht den Schlüssel um. Tagelang fällt ihm kein Wort ein.
    Sinclair wünscht erneut, daß er nach Homburg komme.
    Er ist nicht in der Lage, sich zu entscheiden. Johanna erwidert an seiner Stelle, bedankt sich für Sinclairs »mehr als brüderliche Gewogenheit«, läßt aber deutlich erkennen, daß sie den Sohn nicht aus ihrer Hut geben möchte, nicht mehr, er ist ihr zu oft davongelaufen,hat Schaden genommen. »Ich berge nicht, daß ich sehr viele sorge habe, wan die traurige umstände bey meinen 1. Sohn sich nicht beserten, weil er so groses Verlangen bezeugt, auf das komende Frühjahr von der gnädigsten Erlaubniß, u. freundschaftlichste Einladung zu provitieren, u. einen Besuch bey Ihnen zu machen, welches doch unter solchen traurigen Umständen nicht möglich wäre … solte es aber wieder beser werden, welches der 1. GOtt geben wollte …, so wolte ich mit Vergnügen beytragen, weil ich an seiner Rettung, u. Genesung gewis nichts ermangeln lasse, was in meinen Kräften steht. Der hiesige H. Doctor Planck u. seine übrigen Freunde sagen daß er bey uns benglichen Frauenzimer, so schonend wir ihn auch behandeln, sich nicht leicht besern werde, da wir nicht imstande sind ihn zu unterhalten, u. zu zerstreuen, so sey er zu viel sich selbst überlassen, auch nimt er weder von meiner 1. Tochter die sonst sehr viel bey ihm sich weiß beliebt zu machen. noch von mir etwas an, das ihm dienlich wäre.«
    Nur Heinrikes Kinder haben stets Zutritt zu seinem Zimmer. Vor ihnen muß er sich nicht verstecken.
    Christoph, Rikele, Fritz! Wenn er nach ihnen ruft, kommen sie gleich, denn er denkt sich spannende Spiele aus, erzählt, aber nur wenn sie besonders lieb sind, Geschichten aus Frankreich, von flötenden Hirten, schwarzhäutigen Feen und gutmütigen Räubern. Mit ihnen traut er sich auch in die Stadt, zeigt ihnen die Verstecke, die er und Onkel Karl bevorzugt hätten, hüpft Figuren auf dem Pflaster vor der Stadtkirche.
    Du hasch net recht, Mamma, d’r Onkel Fritz isch net verrückt.
    Nein, für euch ist er das nicht.
    Am liebsten haben sie es, wenn er ihnen auf der Flöte vorspielt, traurige und lustige Melodien, die ihm einfallen, wenn er, wie er geheimnisvoll andeutet, an seine besseren Tage denkt, an den gütigen Äther, den schönen Himmel über der Charente.
    Jetzt hab ich genug. Jetzt müßt ihr gehen. Jetzt bin ich müd.
    Er nimmt sich vor, jemandem zu schreiben, sich mit jemandem auszusprechen, doch nicht mit einem, der alles von ihm weiß, wie Sinclair oder Landauer, mit einem anderen, dessen Freundlichkeit ihm in Erinnerung geblieben ist, vielleicht Böhlendorff, dessen Unruhe auch die seine ist – ja, Böhlendorff! Und es gelingt ihm, ohne daß sich die Wörter widersprechen, in einem Brief von Frankreich zu erzählen, Vergleiche zu finden, die ihm gefallen, über zwei Seiten, in einem Schwung, bis die andere Stimme stärker wird und er ihr, gegen die Vernunft, nachgibt: »Die heimatliche Natur ergreift mich auch um so mächtiger, je mehr ich sie studiere. Das Gewitter, nicht bloß in seiner höchsten Erscheinung, sondern in eben dieser Ansicht, als Macht und als Gestalt, in den übrigen Formen des Himmels, das Licht in seinem Wirken, nationell und als Prinzip und als Schicksalsweise bildend, daß uns etwas heilig ist, sein Drang im Kommen und Gehen, das Charakteristische der Wälder und das Zusammentreffen in einer Gegend von verschiedenen Charakteren der Natur, daß alle heiligen Orte der Erde zusammen sind um einen Ort, und das philosophische Licht um mein Fenster ist jetzt meine

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