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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
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elterlichen Bereich gedrängt, da könne er jetzt nicht sein, hatte ihn in die Obhut einer Magd gegeben, die eigentümliche Sätze murmelte, jetzt müsse die arme Frau leiden, hoffentlich habe die Hebamme einen guten Griff, der Junge hörte aus dem Haus einige Schreie, fürchtete, der Mutter könne etwas zustoßen, versuchte aus dem Zimmer zu schlüpfen, doch die Magd erwischte ihn am Kittel, er blieb, bis die Großmutter wiederkam und sagte, er habe ein Schwesterle bekommen, bald dürfe er es ansehen.
    Ein Jahr darauf kommt Karl zur Welt.
    In seinem Kopf festigt sich das nicht zu Bildern. Die Sprache Köstlins löst solche nahen Wirklichkeiten in Formeln auf. Sie reinigt, wünscht die Gedanken gottgefällig. So lernt er es. Diese wenigen Jahre, ausgeglichen und voller »Knabenfreude«, werden sich ihm einprägen; sie scheinen ihm im nachhinein ohne Schatten, und die Melancholien der Mutter sind kaum spürbar. Sie enden mit einer Katastrophe.
    1778 war der Winter früh und hart hereingebrochen. Eine feste Eisdecke lag über dem Neckar; oft spielte er mit Freunden, sie erkundeten eine völlig veränderte, neue Landschaft, zogen auf dem Eis hinauf bis zur Steinach-Mündung, rutschten, schlitterten, stießen sich gegenseitig um, manchmal gab es Geheul, legten sich aufs Eis und lauschten, wie es arbeitete, horchten auf dieses unheimliche Knirschen und Dröhnen.
    Ende November begann es zu tauen. Sie hörten es prasseln und krachen, das Eis wurde von der schwellenden Wassermenge geschoben und getürmt. Er wachte auf, als sie den Vater in der Nacht holten. Der Neckar sei über die Ufer getreten, die Unterstadt überschwemmt. Die Mauer des Grasgartens sei teilweise vom Strom eingerissen worden.
    Bleib da, sagte die Mutter, du kannsch doch nix tun. Du holsch dir den Tod.
    Sie solle nicht so unbesonnen daherreden, sagte Gok. Er müsse an die Stadt denken. Dies allein sei seine Aufgabe.
    Im Hof hatten sich die Männer versammelt. Sie sprachen aufgeregt, riefen sich die neuesten Nachrichten zu:
    Jetzt kommt das Wasser schon in die Hundsgasse.
    Dem Gonser hat es die Pferde weggeschwemmt.
    Er geht zum Fenster, versucht, leise die Läden zu öffnen. Sie quietschen in den Scharnieren, so läßt er es bleiben. Er lugt durch die Schlitze im Holz, muß sich auf einen Schemel stellen. Die Luft ist laut, als rieben sich unsichtbare Wellen aneinander. Die Männer versammeln sich, schleppen lange Leitern, Seile, einer der Knechte spannt die Pferde vor den Wagen. Die Großmutter, in Tüchern vermummt, läuft ihnen ein Stück nach, kehrt aber bald zurück, wird zu einem riesenhaften Schatten im Hof: Seit einiger Zeit regnet es nicht mehr, die Wolken reißen auf, ein Gespenstermond gibt ein ungenaues Licht.
    Einer der Schulfreunde, Georg Lauterbach, erzählt am anderen Tag, er sei mit seinem Vater auf den Kirchturm gestiegen und habe beobachten können, wie die Brücke über den Neckar geborsten sei.
    Er hat es nur gehört. Das Getöse hat ihn aus seinem zweiten Schlaf gerissen. Es war ein einziger Lärm, und er meinte, noch schlaftrunken, die Welt stürze zusammen. Er rief nach der Mutter. Sie kam nicht, er lief zur Tür und rief wieder, da kam die Großmutter Heyn, nahm ihn zu sich aufs Zimmer, wo es immer nach Äpfeln roch.
    Das kann nur die Brücke sein. Oh Gott, sagte sie. Es wird dem Gok doch nichts passiert sein.
    Es war längst wieder hell, als man ihn heimbrachte; erwar derart erschöpft, daß er aus eigener Kraft nicht mehr gehen konnte. Sie schleppten den Mann ins Haus. Seine Kleider waren völlig durchnäßt, seine Stimme hatte er fast verloren, er habe dauernd Befehle schreien müssen, und das Schlimmste hätte man auch verhindern können, Menschenleben seien keine zu beklagen.
    Drei Monate lang lag er, heiß und kalt, phantasierte oder redete mit schwacher Stimme. Sie scharten sich immer wieder um ihn. Der Wundarzt besuchte ihn jeden Tag, legte ihm Kompressen auf und ließ ihn zur Ader. Mit einer solchen »hitzigen Brustkrankheit« sei nicht zu spaßen. Auch der Dekan Klemm war fast jeden Abend zu Gast, tröstete die Frauen, sprach einige Worte mit dem Kranken. Er solle sich schonen. Die Rekonvaleszenz sei sichtbar. Bald könne er, wenn auch mit Rücksicht gegen sich, seine Ämter wieder erfüllen.
    Man solle ihm lieber aus der Bibel vorlesen.
    Bringt den Karl, ich möchte ihn sehen.
    Fritz und Rike stehen am Fußende des großen Bettes. Ins Schlafzimmer wagen sie sich sonst nicht.
    Johanna verstummte fast, selbst mit ihrer

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