Häschen in der Grube: Roman (German Edition)
kaputte Leute gewohnt hatten. Emma studierte das räudige Fell des Eichhörnchens und blies die Sägespäne weg. Was bedeutet das eigentlich, kaputte Leute ? Dass sie so schmutzig wie das Eichhörnchen waren? Oder verrückt wie der Mann, dem dieser Laden gehörte? Sie wusste, dass einige der baufälligen Hütten, die es hier immer noch gab, von Leuten bewohnt wurden, die Annika kaputt nannte. Vielleicht war der Rhabarbermann auch so einer?
Am Tag war das Naturschutzgebiet bei Spaziergängern beliebt, aber abends galten andere Regeln. Sie hatten Annika versprechen müssen, sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr dort aufzuhalten.
»Das kann gefährlich sein. Habt ihr verstanden?«
Sie hatten es versprochen, aber sie hatte nichts vom Tag gesagt. »Emma, schau mal!«
Julia stand weiter drinnen im Dunkeln und hielt eine Zeitschrift hoch. Als sie näher kam, sah Emma, dass es eine Pornozeitschrift war. Eine Frau lag mit weit gespreizten Beinen da, ein Mann stand über ihr und spritzte etwas Weißes aus seinem Penis über ihr Gesicht. Es sah schmierig aus, das Gesicht der Frau glänzte vor Schweiß. Ihr Mund war offen, die Augen geschlossen, als wolle sie nicht sehen, was geschah.
»Pfui Teufel, wie eklig!«
Emma verzog das Gesicht und nahm die Zeitung, um es genauer zu sehen.
»Schau mal, ein ganzer Karton voll!«
Julia hielt ein Bündel Zeitschriften hoch, die Titelbilder zeigten nackte Körper in allen möglichen Stellungen.
Sie schauten die Frauen mit den geschlossenen Augen fasziniert und angewidert an.
»Sieht aus, als würde es wehtun.«
Julia verzog das Gesicht und hielt ein Bild hoch, auf dem eine Frau auf allen vieren stand, hinter ihr ein Mann mit einem gigantischen Penis. Emma lächelte, wurde dann jedoch nachdenklich.
»Ja, vielleicht. Aber ich glaube, vögeln ist auch schön. Wenn man es mit einem macht, den man mag.«
»Das glaube ich nicht.«
Julia warf die Zeitungen wieder in den Karton.
»Ich habe Annika mal gehört, als sie mit diesem Simon zusammen war, du weißt schon. Eines Nachts, als er bei uns übernachtet hat, bin ich von einem komischen Geräusch aufgewacht, ich wusste erst nicht, was es war. Aber dann hörte ich, dass Annika stöhnte. Oh, oh, ah, ahhhh.«
Julia grinste, und Emma machte weiter.
»Und dann Simon, er flüsterte erst: ›Oh, Annika, du bist wunderbar! Oohh Annika!‹ Und dann: ›Verdammt, Annika! Oh, mein Gott! Oooohhhh!‹«
Julia lachte, und Emma verdrehte die Augen.
Julia nahm eine neue Zeitung und blätterte durch die Seiten mit nackten Menschen und aufgerissenen Augen.
»Ich habe tatsächlich noch nie gehört, wie meine Eltern bumsen. Ist das nicht eigenartig?«
»Doch. Sie schlafen ja jede Nacht im gleichen Bett, hin und wieder müssten sie schon bumsen?«
»Ja, mindestens zwei Mal.«
»Ha! Schau mal hier!« Sie hielt eine Zeitung hoch, eine Frau wurde von vier Männern umringt, die mit ihren erigierten Schwänzen auf sie zeigten, als wären es Waffen.
Die Mädchen waren so fasziniert, dass sie nicht hörten, wie der Alte in den Laden kam. Sie zuckten zusammen, als sie seine Stimme hörten, viel zu nah.
»Legt sofort die Zeitungen weg! Raus hier!«
Er riss Emma die Zeitung weg und warf sie in den Karton.
»Reg dich nicht auf! Wir gehen ja schon!«
»Raus! Sofort! Verdammte Gören!«
Er schob sie vor sich her und schimpfte dabei ununterbrochen. Sie liefen durch die Dunkelheit auf den Ausgang zu. Als sie in die Nähe der Tür kamen, die zum Glück offen stand und einen Streifen Licht hereinließ, stieß er Emma so fest in den Rücken, dass sie nach vorne fiel und draußen im Schotter auf allen vieren landete.
»Hör auf, verdammter Kerl!«
Julia half Emma auf die Beine.
»Wenn ich euch noch einmal hier sehe, weiß ich nicht, was passiert! Verstanden? Ich will euch nicht mehr hier sehen!«
»Wir werden dich bei der Polizei anzeigen! Es ist verboten, Kinder zu schlagen.«
Emma war außer sich.
»Ja, ja, versucht nur, mich anzuzeigen, wir werden ja sehen, wem die Polizei glaubt.«
Er grinste gemein.
»Du bist ein verdammt kaputter Typ!«
Sie schrie, und Julia zog sie hinter sich her.
»Verschwindet!«
Er machte Anstalten, ihnen hinterherzulaufen, um zu zeigen, dass er es ernst meinte.
Julia drehte sich um und spuckte auf den Hof, dann liefen sie auf den Schotterweg, der in den Wald und zu ihrem Baum führte. Sie wurden erst wieder langsamer, als sie die Straße und den Laden nicht mehr sehen konnten.
»Was habe ich eine Angst
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