Häschen in der Grube: Roman (German Edition)
müssen. Er war Polizist geworden, weil er Gutes tun wollte, aus dem starken Gefühl, anderen Menschen helfen zu wollen. Oft hatte er auch den Eindruck, nützlich zu sein, hatte Einsätze, nach denen die Leute vor Dankbarkeit weinten. Er war auch gern die tröstende Kraft, die Menschen beruhigte, die gerade die schreckliche Nachricht eines Todesfalls bekommen hatten. Aber das hier sah nicht gut aus. Die Frau sah mitgenommen aus, dunkle Ringe unter den Augen zeugten davon, dass sie eine schwierige Zeit durchmachte. Außerdem machte sie keinen aggressiven Eindruck, im Gegenteil, sie wirkte ruhig und gefasst und, wie sie selbst gesagt hatte, kooperativ. Er konnte den Gedanken nicht verdrängen, dass sie bestimmt einen verdammt guten Grund gehabt hatte, die eigene Sauna niederzubrennen. Er wusste, was Verzweiflung mit Menschen machen konnte. Als der Skrupel in ihm wuchs, machte er das einzig Mögliche, um seinem Job gerecht zu werden, er schaltete ab und verdrängte.
Entschlossen öffnete er die Tür zum Schlafzimmer und zeigte mit aller Deutlichkeit, dass er keinen Widerstand oder Ärger dulden würde.
Von der Matratze, wo das heulende Trio sich aneinander klammerte, sahen die beiden Polizisten aus wie Monster, die den ganzen Raum füllten.
Emma und Annika sahen von der Diele aus, wie die beiden Männer versuchten, die verschlungenen Körper zu trennen. Emmas Herz schlug so heftig, dass sie die Hand auf die Brust drücken musste. Sie spürte Annikas Arm um ihre Schultern und wie fest sie Emmas Hand drückte. Als der eine Polizist die wild um sich tretende Julia nach hinten ins Zimmer zu ziehen versuchte, konnte Annika nicht mehr an sich halten.
»Bitte, lassen Sie, ich mach das!«
Sie gab sich Mühe, ruhig und vertrauenswürdig zu klingen, Hagström zögerte einen Moment, dann ließ er Julia los, und Annika konnte sie in den Arm nehmen.
Der andere Polizist war damit beschäftigt, den schreienden Erik dazu zu bringen, das Bein seiner Mutter loszulassen. Gisela weinte, versuchte aber dennoch, mit Erik zu sprechen.
»Lass mich jetzt los, Erik, ich bin doch bald wieder da!«
Aber Erik wusste, dass sie nicht die Wahrheit sagte, das hörte man an ihrer bemüht kontrollierten Stimme. Der kleine Körper war gespannt wie ein Bogen, als es dem Polizisten schließlich gelang, den Griff um Giselas Bein zu lösen. Mühsam stand Gisela auf und ging in die Diele, wo Hagström sich neben sie stellte und ihren Arm festhielt. Sie leistete keinerlei Widerstand, als die Polizisten sie aus der Wohnung und zum wartenden Auto führten. Sie stolperte nur einmal, als Eriks Weinen in ein verzweifeltes Heulen überging, das man im ganzen Treppenhaus hören konnte. Er wusste genau, dass es sehr lange dauern würde, bis er seine Mutter wiedersah.
Man sah, dass er sich nicht wohlfühlte, so eingeklemmt auf dem Küchensofa an Annikas Tisch. Die Stühle waren voller Papierstapel und Bücher, und auf dem einzigen freien Stuhl saß Annika. Für die Aktentasche aus braunem Leder war nirgends Platz, und nur mit Mühe konnte er den Packen Dokumente hervorholen, die alle das Logo der Anwaltskanzlei Cederström trugen.
Das rotgrün karierte Tweedsakko sah warm aus, kleine Schweißperlen glitzerten am Haaransatz. Er nahm die runde Brille ab, wischte sich mit einem weißen Taschentuch die Stirn.
Julia sagte kurz Guten Tag, dann verließ sie die Küche und stellte sich so hinter die Tür, dass sie alles sehen und hören konnte.
Seine Stimme war weich und klangschön, man hörte, dass er wusste, dass man ihm gern zuhörte.
»Der Vater der Kinder will selbstverständlich, dass sie zu ihm zurückkommen, in ihr Zuhause, jetzt, wo die Umstände gezeigt haben, dass die Mutter völlig unzurechnungsfähig ist! Das ist auch juristisch die einzige Lösung, Sie würden einen Sorgerechtsprozess gegen den Vater der Kinder niemals gewinnen, das müssen Sie einsehen. Soweit ich verstanden habe, gibt es keinerlei verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Ihnen und den Kindern?«
Annika starrte ihn an, zum Glück hatte sie ihre Stimme wiedergefunden, heiser und drohend.
»Biologischer Vater hin oder her, er hat seine Rechte als Vater verwirkt, nachdem er sich an seiner Tochter vergriffen hat!«
Gustav Cederström räusperte sich und schaute in seine Papiere.
»Ja, hm, ich muss Sie offenbar daran erinnern, dass hier Aussage gegen Aussage steht, es gibt weder ein Ermittlungsverfahren noch andere Beweise, die den Bericht des Mädchens stützen.«
Einen Moment lang
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