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Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Titel: Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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das? Die Lage ist verdammt ernst. 3 Morde in 2 Wochen. Wir schaffen das nicht mehr allein!«
    »Nein, nicht das wieder! Ich bin noch gar nicht ganz hier und du kommst jetzt bestimmt mit dieser Flensburg-Nummer.«
    »Genau!«
    »Heinz, vielleicht kann ich mir erst einen Eindruck machen. Alles andere ist mir zu verfrüht. Wir sollten alles morgen in Ruhe besprechen.«
    »Ich möchte, dass du mich unbedingt auf dem Laufenden hältst.«
    »Heinz, wie lange kennen wir uns schon?«
    »Ich will das ja nur noch mal betonen.«
    Swensen schaut Heinz Püchel direkt in die Augen. Der geht sofort aus dem Blickkontakt, nimmt einen tiefen Zug aus der Zigarette und bläst den Rauch in die Nachtluft.
    »Bis morgen dann!«, sagt er und stelzt in Richtung Gartenporte.
    Swensen geht zur Haustür. Gleich hinter dem Rahmen steht Paul Richter, breitbeinig wie ein Bodyguard.
    Wahrscheinlich hat der alles mitgehört, denkt er und merkt, dass es ihm nicht gerade angenehm ist.
    »Weißt du, wer als Erster hier war?«, fragt er den Streifenpolizisten, um kein Schweigen aufkommen zu lassen.
    »Ich und mein Kollege Herbert Seibel.«
    »Und?«
    »Der Einsatzbefehl kam über die Zentrale. Als wir hier ankamen, waren da diese Zeitungs-Tussi und ihr Fotograf. Die kennst du auch, die beiden, die sich am Freitag hinter unsere Absperrung am Storm-Haus geschlichen hatten.«
    »Was!? Die Teske von der ›Husumer Rundschau‹?«
    »Ja, genauso heißt die! Und das Merkwürdige an der ganzen Sache ist, vor zirka fünf Stunden hatten wir schon einen Einsatz, wo wir auf dieselbe Dame getroffen sind!«
    »Was für einen Einsatz denn?«
    »Nun, wir wurden von dieser Teske zur ›Husumer Rundschau‹ gerufen. Sie war in den Redaktionsräumen angeblich von einem Einbrecher niedergeschlagen worden.«
    »Angeblich?«
    »Ja, das war unsere Meinung! Wir konnten vor Ort beim besten Willen nichts von einem Einbruch entdecken, nur ein einzelner Computer lief, der angeblich nicht laufen sollte. Ansonsten gab es keine Einbruchspuren. Aber die Teske blieb hartnäckig bei ihrer Behauptung, dass sie niedergeschlagen worden sei. Wir fanden das ziemlich unglaubwürdig, sie sah putzmunter aus. Doch jetzt ist gerade dieser Kollege, dem der eingeschaltete Computer gehörte, hier tot aufgefunden worden. Da wird man halt nachdenklich.«
    »Und wo sind Maria Teske und ihr Fotograf jetzt?«
    »Soweit ich weiß, ist Mielke mit den beiden zum Verhör in die Inspektion gefahren.«
    »Und wo liegt der Tote?«
    »Geradeaus im Wohnzimmer.«
    Swensen steckt seinen Kopf noch einmal durch die Haustür nach draußen und atmet die kalte Winterluft ein. Jedes Mal, wenn er einen Tatort mit einer Leiche betreten muss, spürt er einen inneren Widerstand.
    Selbst nach über zwanzig Dienstjahren ist ein Mordfall für ihn nicht zur Routine geworden. Wenn er nüchtern darüber nachdenkt, bleibt es für ihn weiterhin ein unerklärliches Phänomen, dass Menschen sich gegenseitig umbringen.
    Gewalt ist der Preis der menschlichen Freiheit, denkt er. Mord ist eben eine mögliche Entscheidung des Menschen, schließlich entscheidet jeder frei zu töten oder es zu lassen.
    Swensen spürt sofort, dass er mit seinen Gedanken nur das kommende Grauen von sich fernhalten möchte. Vor seinen Augen laufen die Bilder von unzähligen Verhören ab. Ganoven, und selbst Mörder, die er fast nie als die Ausgeburt des Bösen erfahren hat. Selbstverständlich hat er sie auch als zerstörerisch erlebt und manchmal sind sie es auch wieder und wieder geworden, aber ihre Taten hatten kaum etwas Durchdachtes. Vor Gericht hatten sie die Verantwortung dafür fast immer weit von sich gewiesen. Einer sagte mal, er wäre sowieso nur geschnappt worden, weil er halt ein ›ehrlicher Verbrecher‹ sei. Die eigentlichen Gangster kämen ja doch nie in den Knast. Er hielt sich für einen durch und durch normalen Menschen und er hatte nicht ganz unrecht. So wirklich ins Auge springende Defekte, Mörder, denen man ihre Morde deutlich ansieht, waren ihm so gut wie nie begegnet. Selbst in den schrecklichsten Verbrechen steckte für Swensen eine verborgene Offenheit, die entdeckt werden wollte. Etwas, das tief im Inneren jedes Täters schlummerte, was er offensichtlich nicht verbal, sondern nur durch die Tat ausdrücken konnte.
    Swensen streift sich Plastikschützer über seine Schuhe und betritt das Wohnzimmer. Ein unangenehmer Schwefelwasserstoffgeruch liegt in der Luft. Faulgas, das von der Leiche stammen musste. Peter Hollmann, der ohne ihn

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