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Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Titel: Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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ungehalten, vor dem Italiener in die Hand gedrückt.
    »Es gibt auch noch etwas anderes als Arbeit!«, hatte sie mit genervter Stimme gesagt.
    »Das musste ich schon in der Schule lesen.«
    »Eben! Dann wird es Zeit es freiwillig zu lesen.«
    Der Ärger über seinen Wunsch, jetzt noch bei der Polizeiinspektion vorbeigehen zu wollen, war unverkennbar gewesen. Aber in Swensens Blick hatte sich eine gewisse Besessenheit breit gemacht. Anna kannte das schon. Sie wusste genau, dass sie ihn in so einem Zustand unmöglich hätte bremsen können. Er hatte das Buch in die Manteltasche gesteckt und Anna zum Auto gebracht.
    »Wo steht dein Auto?«, hatte sie gefragt.
    »Vor der Inspektion. Ich bin zu Fuß hier!«
    »Steig ein!«, hatte sie gesagt. »Ich fahr dich ’rum.«
    Bevor er ausgestiegen war, hatte er sie kurz geküsst. Es war ihm nur mühsam gelungen, sein schlechtes Gewissen zu verbergen. Doch sie hatte ihn durchschaut.
    »Sieh zu das du wegkommst!«, hatte sie ihm zugeraunt. Er war auch zielstrebig auf den Konferenzraum zugegangen, hatte im Raum das Licht angeknipst, sich einen Stuhl genommen und ihn wieder, wie am Vormittag, vor die Pinnwand gestellt. Unten rechts hingen die Fotos mit den Reifenspuren. Da, auf dem einen war etwas zu sehen. Er hatte es sich nicht eingebildet. Dicht am Bildrand schien ein winziges Teilchen im Sand zu liegen. Man musste schon ziemlich genau hinschauen, denn Teilchen und Sand auf dem Schwarz-Weiß-Abzug hatten fast identische Grautöne. Swensen ging in sein Büro und holte sich von dort eine Lupe. Es brachte nichts. So sehr er sich bemühte, er konnte nicht erkennen, was dort lag.
     
    Swensen starrt an die Decke und denkt über seinen Traum nach. Der weiße Jeep erinnert ihn an die Anfangspassage im Schimmelreiter. Hatte die Lektüre des Buchs da vielleicht etwas nachgeholfen? Und dieses glitzernde Ding im Traum, das neben den Reifenspuren verschwunden war, scheint wohl etwas mit dem Foto vom Tatort zu tun zu haben, das er gestern Abend mit nach Haus genommen hatte. Aber wie kommt Hajo Peters in seinen Traum? Swensen steht auf, zieht den Bademantel an, der neben seinem Bett liegt und geht ins Wohnzimmer. Als er das Licht anknipst, muss er einen Moment die Augen zusammenkneifen. Er geht zum Tisch und beugt sich über das Foto mit den Reifenspuren. Da ist das merkwürdige Ding wieder.
    Was kann das nur sein, zermartert Swensen sein Hirn. Er hatte das Foto gestern Abend sogar in seinen Heimcomputer eingescannt. Doch sein Vergrößerungsversuch produzierte nur einen grobkörnigen Brei, der mehr wie eine Aufnahme von der Milchstraße aussah, als dass er das Geheimnis des Teilchens preisgab.
    Geh’ zu Bett und schlaf dich aus, ruft eine innere Stimme Swensen zur Vernunft, doch sein Hirn erzeugt unentwegt neue Hypothesen. Er hat sich verbissen, kann nicht mehr loslassen. Er kennt das von sich und weiß, dass nur Warten hilft, bis der Körper nicht mehr mitmacht. Es dauert über eine Stunde, bis er wieder so müde wird, dass er gereizt ins Schlafzimmer zurückgeht, sich unter die Decke verzieht und endlich wieder einschläft.
    Als der Kommissar die Augen öffnet, flutet milchiges Tageslicht durchs Fenster. Vom Regen ist nichts mehr zu hören. Entsetzt schaut er auf die Uhr. Es ist 9.13 Uhr. Mit einem Satz springt er aus dem Bett, nötigt sich aber gleich zur Achtsamkeit.
    Verschlafen ist verschlafen, denkt er, jetzt ist sowieso nichts mehr zu retten.
    Gelassener geht er ins Bad und duscht ausgiebig, hat aber keine Lust sich zu rasieren. Nachdem er sich ohne Hetze angekleidet hat, zündet er im Wohnzimmer eines der neuen Öko-Räucherstäbchen an, die er sich im Internet bestellt hatte. Ein graziler Duft von Safran, Beifuss und Sandelholz breitet sich im Raum aus. Dann legt er sein Meditationskissen in die Mitte, setzt sich in den Lotussitz und schließt die Augen.
    Es gibt nur Geist. Es gibt nur Sein. Es gibt nur Gott. Es gibt nur Atem.
    Nach zirka zwanzig Minuten stellt er fest, dass es ihm nur sekundenlang gelungen war, sich aus dem Film des Lebens zu lösen. Ein kleines, glitzerndes Teilchen flimmerte kontinuierlich in seinen Gedanken und ist auch jetzt da. Swensen spürt sich von einer Ahnung getrieben. Er nimmt seinen Notizblock vom Schreibtisch, sucht die Nummer vom LKA Kiel heraus und tippt sie in sein Handy. Dann lässt er sich mit der Computerexpertin Elisabeth Karl verbinden.
    »Karl!«, meldet sie sich mit ihrer spröden Reibeisenstimme.
    »Swensen hier! Jan Swensen aus Husum. Sie

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