Hafen der Träume: Roman (German Edition)
Klatsch und Tratsch sind. Ich jedenfalls beabsichtige, alles herauszufinden, was die Leute über Professor Raymond Quinn reden.
KAPITEL 3
Der typische Ort, an dem Geselligkeit, Informationsaustausch und Paarungsrituale gepflegt wurden, war die Kneipe um die Ecke, darin unterschied sich die Großstadt nicht vom kleinsten Dorf.
Ob das Lokal mit Kupferkesseln und Farnwedeln dekoriert war oder auf den Tischen Schalen mit Erdnüssen und Aschenbecher standen, spielte keine Rolle, ebenso wenig wie die Frage, ob es sich bei der Musik um melancholische Countrysongs oder ohrenbetäubenden Hardrock handelte. Die Kneipe blieb traditioneller Versammlungsort und Informationsbörse.
Shiney’s Pub in St. Christopher bildete da keine Ausnahme. Hier bestand die Inneneinrichtung aus dunklem Holz und billigem Chrom. An den Wänden hingen verblichene Schiffsposter. Die Musik war laut, fand Sybill, ohne dass sie in dem Krach, der aus den beiden Lautsprechern neben der Bühne dröhnte, eine bestimmte Stilrichtung erkennen konnte. Vier junge Männer standen auf dem Podest. Sie hieben mit mehr Begeisterung als Talent in die Gitarrensaiten und traktierten das Schlagzeug.
An der Bar saßen drei Männer und starrten wie hypnotisiert auf einen Bildschirm, der hinter dem Tresen an der Wand hing und auf dem ein Baseballspiel übertragen wurde. Sie hielten ihre braunen Bierflaschen umklammert, stopften Unmengen von Salzbrezeln in sich hinein und schienen zufrieden, das stumme Ballett von Werfen und Fangen zu verfolgen.
Auf der Tanzfläche herrschte Gedränge. Obwohl nur vier Paare tanzten, war es eng. Immer wieder wurde jemand mit dem Ellenbogen getroffen, oder die Hüften
der Tanzenden prallten gegeneinander, was jedoch niemanden zu stören schien.
Die Kellnerinnen trugen eine alberne, Männerfantasien anregende Verkleidung: schwarze Miniröcke, kurze enge Pullis mit V-Ausschnitt, Netzstrümpfe und hochhackige Pumps.
Sybill war dieser Ort auf Anhieb sympathisch.
Sie zwängte sich hinter einen wackligen Tisch, in einem Abstand zu den Verstärkern, den ihre Ohren gerade noch ertrugen. Der Zigarettenqualm und der Lärm störten sie nicht, auch nicht der klebrige Boden oder der wacklige Tisch. Sie hatte sich den Platz ausgesucht, der ihr den besten Blick auf die Kneipenbesucher gestattete.
Sie hatte das Hotelzimmer unbedingt für ein paar Stunden verlassen wollen. Jetzt würde sie sich bequem zurücklehnen, ein Glas Wein trinken und die Einheimischen beobachten.
Eine dunkelblonde, zierliche Kellnerin mit beneidenswertem Busen und munterem Lächeln trat an Sybills Tisch. »Hallo. Was darf ich Ihnen bringen?«
»Ein Glas Chardonnay, Eiswürfel extra.«
»Kommt sofort.« Die Bedienung stellte eine Plastikschale mit Brezeln auf den Tisch und bahnte sich durch das Gedränge einen Weg zurück zur Bar. Unterwegs nahm sie weitere Bestellungen entgegen.
Sybill fragte sich, ob sie gerade die erste Begegnung mit Ethans Frau gehabt hatte. Nach ihren Informationen arbeitete Grace Quinn in diesem Pub. Aber die zierliche dunkelblonde Person trug keinen Ehering, und Sybill nahm an, dass eine frisch gebackene Ehefrau nicht darauf verzichten würde.
Und die andere Kellnerin? Sie sah atemberaubend aus, fand Sybill. Blond, gut gebaut und mit Schmollmund. Attraktiv war sie, zweifellos, auf eine gewisse Art. Aber nichts an ihrem Verhalten deutete darauf hin, dass sie jung verheiratet war. Vor allem nicht die Bewegung,
mit der sie sich jetzt über den Tisch eines Kunden beugte und ihm einen tiefen Blick in ihr Dekolleté gewährte, den dieser offenbar zu schätzen wusste.
Stirnrunzelnd knabberte Sybill an einer Brezel. Wenn das Grace Quinn war, passte sie nicht ins Schema. Den Status der Mutterfigur konnte sie streichen.
In dem Baseballspiel geschah offensichtlich etwas. Sybill hörte, wie die Männer losbrüllten, jubelten und jemand ›Eddie‹ rief.
Gegen ihre Gewohnheit zog Sybill ihren Block heraus und fing an, sich über ihre Beobachtungen Notizen zu machen. Vertrauliches Schulterklopfen und freundschaftliches Knuffen bei den Männern, Hinwenden des Körpers als Zeichen der Vertrautheit bei den Frauen. Typisch für weibliches Flirtverhalten waren auch das Zurückwerfen der Haare, Augenbewegungen und gewisse Gesten mit der Hand. Im Tanz, dem modernen Paarungsritual, fanden die Geschlechter zusammen.
In dieser Haltung sah Phillip sie, als er das Lokal betrat. Sybills Blick schweifte selbstzufrieden durch den Raum, und sie kritzelte drauflos. Sehr
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