Hafen der Träume: Roman (German Edition)
liebte ihn über alles, obwohl wir nur einige Wochen zusammen waren. Ich weiß nicht, wie das so schnell geschehen konnte.«
»Zeit ist nicht immer ausschlaggebend.« Phillip strich ihr Haar zurück und betrachtete ihr Profil – die Kurve ihrer Wangen, den Schwung ihrer Augenbrauen. »Sie spielt nicht immer eine so große Rolle.«
»Ja, normalerweise glaubt man das, aber so war es nicht. Es war mir egal, dass sie meine Sachen genommen und mich bestohlen hat, als sie fortging. Aber sie nahm mir den Jungen weg. Und sie ließ es nicht einmal zu, dass ich mich von ihm verabschiedete. Sie war einfach verschwunden und hatte den kleinen Hund zurückgelassen, weil sie wusste, das würde mir wehtun. Ihr war klar, dass ich mir große Sorgen machen und nachts weinen würde. Also musste ich damit aufhören. Ich durfte nicht mehr daran denken, musste Seth aus meinen Gedanken verbannen!«
»Das ist nun vorbei. Alles ist gut.« Er strich ihr sanft über das Haar und zog sie an sich. »Sie wird Seth nicht mehr verletzen. Oder dich.«
»Ich habe mich dumm benommen!«
»Nein, das ist nicht wahr!« Er streichelte ihren Hals, ihre Schultern und spürte, wie sich ihr Körper bei einem lang gedehnten Seufzer hob und senkte. »Schlaf jetzt.«
»Geh nicht weg.«
»Nein.« Er runzelte die Stirn. Wie zerbrechlich ihr Nacken unter seinen Fingern aussah. »Ich bleibe hier.«
Und das war ein Problem, stellte er in Gedanken fest, während er seine Hände sacht über ihre Arme und ihren Rücken gleiten ließ. Er wollte bei ihr bleiben, mit ihr
zusammen sein. Sie beobachten, wenn sie schlief, so tief und ruhig wie jetzt. Er wollte derjenige sein, der sie festhielt, wenn sie weinte – das tat sie vermutlich nicht sehr oft, aber wenn, hatte sie möglicherweise niemanden, der sie in den Arm nahm.
Er wollte beobachten, wie diese sanften großen Augen aufleuchteten, wenn sie lachte, und sich diese bezaubernden, geschwungenen Lippen dabei öffneten. Er könnte Stunden damit verbringen, ihrer Stimme zu lauschen, deren Tonfall zwischen heiterer Belustigung, steifer Förmlichkeit und Ernsthaftigkeit wechselte.
Er mochte es, wie sie morgens aussah, leicht überrascht, ihn neben sich zu sehen. Und nachts, wenn ein Ausdruck der Leidenschaft und Lust über ihr Gesicht glitt.
Sie hatte keine Ahnung, wie sehr ihr Mienenspiel sie verriet. Dennoch war es so feinsinnig wie ihr Duft. Er zog an der Decke, breitete sie aus und deckte Sybill damit zu. Ein Mann musste ihr sehr nahe kommen, um das zu verstehen. Und er war ihr bereits sehr nahe gekommen, ohne dass sie es bemerkt hatten. Er hatte gesehen, wie sie seine Familie beobachtete, versonnen und wehmütig.
Immer wahrte sie einen gewissen Abstand, war nur eine Beobachterin des Geschehens.
Und er hatte bemerkt, auf welche Weise sie Seth betrachtete. Mit Liebe und Verlangen, aber ebenfalls aus Distanz.
Wollte sie sich nicht einmischen? Oder sich selbst schützen? Phillip nahm an, es war eine Mischung aus beidem. Er war sich nicht ganz sicher, was genau in ihrem Herzen und ihren Gedanken vor sich ging. Aber er war fest entschlossen, das herauszufinden.
»Ich glaube, ich habe mich in dich verliebt, Sybill«, sagte er leise und streckte sich neben ihr aus. »Das könnte die Dinge für uns beide verdammt komplizieren.«
Sie wachte in der Dunkelheit auf. Einen kurzen Moment lang war sie wieder ein Kind und hatte Angst vor allem, was in den Schatten lauern könnte. Sie presste ihre Lippen so fest aufeinander, dass sie schmerzten. Wenn sie schrie, würde einer der Dienstboten sie hören und es ihrer Mutter erzählen. Dann wäre ihre Mutter ihr böse, denn sie konnte es nicht leiden, wenn Sybill wieder im Dunkeln weinte.
Die Erinnerung kam ihr zurück. Sie war kein Kind mehr. Im Schatten lauerte nichts Unbekanntes – da waren eben einfach nur Schatten. Sie war eine erwachsene Frau, die wusste, dass es dumm war, sich in der Dunkelheit zu fürchten, wenn es so viele andere Dinge gab, vor denen man Angst haben musste.
Ich habe mich zum Narren gemacht, dachte sie, als weitere Ereignisse langsam in ihr Bewusstsein drangen. Zu einem fürchterlichen Narren. Weil sie sich so hatte gehen lassen. Und, was noch viel schlimmer war, sie hatte damit gezeigt, dass sie keinerlei Kontrolle über sich hatte. Anstatt ruhig und beherrscht zu reagieren, war sie wie eine Idiotin aus dem Haus gerannt.
Unverzeihlich.
Und dann hatte sie Phillip etwas vorgeweint. Wie ein Baby hatte sie im Garten geheult, als ob
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