Hafen der Träume: Roman (German Edition)
Jetzt war er wütend. Alle würden böse auf sie sein.
»Sie hat mit dir telefoniert? Gestern?« Mit unterdrücktem Zorn nahm er einen seiner Schuhe und starrte ihn an. »Und du hast es nicht für nötig gehalten, mir das zu erzählen?«
»Dafür sah ich keinen Grund.« Sie konnte ihre Hände nicht still halten, zupfte an ihrem Haar und zog an der Bettdecke. »Ich wollte das eigentlich gar nicht erwähnen.«
»Tatsächlich? Du scheinst vergessen zu haben, dass ich im Moment für Seth verantwortlich bin. Meine Familie und ich haben ein Recht zu erfahren, ob uns deine Schwester weitere Schwierigkeiten machen wird. Wir müssen darüber Bescheid wissen«, sagte er mit wachsendem Zorn. »Damit wir ihn beschützen können.«
»Sie wird nichts tun, was …«
»Wie, zum Teufel, willst du das wissen?« stieß er hervor und kam auf sie zugestürmt. Sie umklammerte ihre Bettdecke so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß schimmerten. »Wie kannst du das sagen? Indem du dir deine Meinung als Beobachter aus zehn Schritten Entfernung bildest? Verdammt, Sybill, das ist kein verflixtes Experiment. Hier geht es um ein Menschenleben. Was wollte sie?«
Wie immer, wenn jemand zornig wurde, wäre sie am liebsten vom Erdboden verschwunden. Also umgab sie, wie üblich, ihr Herz und ihre Stimme mit Eis, um die Situation zu meistern. »Geld natürlich. Ich sollte es von dir fordern, damit ich ihr meinerseits mehr geben könnte. Sie hat mich angeschrien und beschimpft, genau wie du es getan hast. Anscheinend befinde ich mich trotz der zehn Schritte Abstand direkt in der Mitte des Geschehens.«
»Ich möchte wissen, ob und wann sie wieder mit dir Kontakt aufnehmen wird. Was hast du mit ihr vereinbart?«
Sybill griff nach ihrem Bademantel. Ihre Hand war jetzt ganz ruhig. »Ich habe ihr gesagt, von ihrer Familie habe sie nichts zu erwarten. Auch nicht von mir. Und ihr erklärt, ich hätte mit ihrem Anwalt gesprochen und würde meinen Einfluss geltend machen, damit Seth weiterhin ein Mitglied eurer Familie bleiben könne.«
»Immerhin etwas«, murmelte Phillip und sah stirnrunzelnd zu, wie sie ihren Bademantel überstreifte.
»Das ist doch das Mindeste, was ich tun konnte, nicht wahr?« Ihre Stimme klang kühl, abweisend und bestimmt.
»Entschuldige mich.« Sie ging ins Badezimmer und schloss die Tür hinter sich ab.
Phillip hörte das Klicken des Schlosses. »Dann ist ja alles in Ordnung«, rief er ihr erbost nach, packte sein Jackett und marschierte aus dem Zimmer, bevor er alles noch schlimmer machte, als es ohnehin schon war.
Zu Hause angekommen, wurden die Dinge nicht besser. Er fand nur noch eine halbe Tasse Kaffee in der Kanne vor und musste unter der Dusche feststellen, dass Cam offensichtlich den Großteil des heißen Wassers verbraucht hatte. Das gab ihm beinahe den Rest.
Als er dann, mit einem Handtuch um die Hüften geschlungen, in sein Zimmer ging, sah er Seth auf seinem Bett sitzen. Na wunderbar!
»Hallo.« Seth starrte ihn an.
»Du bist schon früh wach!«
»Ich dachte, ich könnte dir ein paar Stunden helfen.«
Phillip zog Unterwäsche und ein Paar Jeans aus seinem Schrank. »Du musst heute nicht arbeiten. Deine Freunde kommen später zu deiner Party vorbei.«
»Aber erst nachmittags.« Seth zuckte die Schultern. »Ich habe noch genug Zeit.«
»Ganz wie du willst.«
Seth hatte eigentlich damit gerechnet, dass Phillip wütend sein würde. Immerhin hatte er doch ein Auge auf Sybill geworfen, oder? Es war ihm daher nicht leicht gefallen, sich in Phillips Zimmer zu setzen und auf ihn zu warten, aber er wollte einfach etwas loswerden.
Also sprach er den einzigen Satz aus, der ihm jetzt einfiel. »Ich wollte sie nicht zum Weinen bringen.«
Mist, dachte Phillip, während er seinen Slip hochzog. Er kam einfach nicht davon. »Das hast du nicht. Das war schon seit langem überfällig. Das ist alles!«
»Ich nehme an, sie ist ziemlich sauer.«
»Nein, ist sie nicht.« Resigniert streifte Phillip seine Jeans über. »Sieh mal, Frauen sind in manchen Situationen sehr schwer zu verstehen.«
»Kann sein.« Vielleicht war Phillip doch nicht böse auf ihn. »Ich habe mich eben an einige Dinge erinnert.« Seth starrte auf die Narben auf Phillips Brust, weil ihm das leichter fiel, als ihm in die Augen zu sehen. Und außerdem
waren diese Narben cool. »Das hat sie wohl ziemlich aufgeregt und so.«
»Manche Menschen haben Schwierigkeiten, mit ihren Gefühlen umzugehen.« Phillip seufzte und setzte sich neben Seth aufs
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