Hafen der Träume: Roman (German Edition)
Wenn du mit dir klarkommen und deinen Sohn wiederhaben willst, muss das vernünftig und auf legalem Weg geschehen. Gloria, du brauchst Hilfe. Und ich bin bereit, dir zu helfen. So weit ich es beurteilen kann, bist du momentan nicht in der Verfassung, Seth zu dir zu nehmen.«
»Auf wessen Seite stehst du eigentlich?«
»Auf seiner.« Die Worte kamen ihr über die Lippen, ehe sie erkannte, dass dies die Wahrheit war. »Ich bin auf seiner Seite und hoffe, dass ich damit auch auf deiner Seite stehe. Wir müssen zunächst klären, was heute passiert ist.«
»Ich habe dir schon gesagt, ich bin reingelegt worden.«
»Gut. Damit ist die Sache aber noch lange nicht geklärt. Ein Richter bringt einer Frau wenig Sympathie entgegen, der ein Verfahren wegen Rauschgiftbesitz droht.«
»Na prima. Wieso gehst du nicht gleich in den Zeugenstand und erzählst allen, was für ein schlechter Mensch ich bin? Das denkst du doch. Das hast du immer von mir gedacht.«
»Bitte, hör auf damit.« Sybill dämpfte ihre Stimme und beugte sich über den Tisch. »Ich tue das, was ich für richtig halte. Wenn du mir beweisen willst, dass es
dir ernst damit ist, die Sache aufzuklären, musst du mir dabei helfen. Du musst auch mal einen Beitrag leisten, Gloria.«
»Und du musst immer Bedingungen stellen.«
»Wir reden nicht von mir. Ich bezahle deine Gerichtskosten, ich rede mit dem Jugendamt, ich versuche den Quinns deine Bedürfnisse und deine Rechte klarzumachen. Und ich will, dass du dich einverstanden erklärst, eine Entziehungskur zu machen.«
»Weshalb?«
»Weil du zu viel trinkst.«
Gloria feixte und nahm trotzig den nächsten Schluck. »Ich hatte einen harten Tag.«
»Und du hattest Drogen bei dir.«
»Wie oft soll ich denn noch sagen, dass ich, verdammt noch mal, nichts damit zu tun habe.«
»Das hast du oft genug gesagt«, entgegnete Sybill kühl. »Du lässt dich beraten, gehst in Therapie, machst eine Entziehungskur. Ich kümmere mich darum, übernehme die Kosten und helfe dir, einen Job und eine Wohnung zu finden.«
»Solange nur alles nach deinem Kopf geht.« Gloria leerte das Glas. »Therapie. Damit habt ihr beide, du und der Alte, schon immer alle Probleme zu lösen versucht.«
»Das sind meine Bedingungen.«
»Ich soll also nach deiner Pfeife tanzen. O Mann! Bestell mir noch einen Drink. Ich geh mal pissen.« Sie schwang sich die Tasche über die Schulter und stakste an der Bar entlang nach hinten.
Sybill lehnte sich zurück und schloss die Augen. Sie würde Gloria keinen Drink mehr bestellen, sie begann ohnehin schon zu lallen. Das würde den nächsten erbitterten Kampf geben.
Die Aspirin hatten nicht gewirkt. Der Schmerz hämmerte in gleich bleibend quälendem Rhythmus gegen ihre Schläfe. Ein Eisenband quetschte ihr die Stirn ein.
Sie wünschte nichts sehnlicher, als sich auf einem Bett in einem dunklen, kühlen Raum auszustrecken und ins Nichts zu versinken.
Jetzt verachtete er sie. Reue und Scham stiegen bitter in ihr hoch, wenn sie an die Verachtung dachte, die sie in Phillips Blick gelesen hatte. Vielleicht verdiente sie es nicht anders. Im Augenblick konnte sie keinen klaren Gedanken fassen, sie war nur unendlich traurig.
Und sie war maßlos wütend auf sich selbst, zugelassen zu haben, dass er und seine Meinung ihr so viel bedeuteten. Sie kannte ihn erst seit wenigen Tagen und hatte nie, niemals die Absicht gehabt zu erlauben, dass sich ihrer beider Gefühle ineinander verstrickten.
Eine flüchtige körperliche Anziehung, ein paar vergnügliche, gemeinsam verbrachte Stunden. Mehr sollte es nicht sein. Wieso war mehr daraus entstanden?
Aber sie wusste auch, dass sie mehr gewollt hatte, als sie in seinen Armen lag, als ihr Blut unter seinen langen, heißen Küssen in Wallung geraten war. Und nun war sie, die sich nie für besonders sexy oder gefühlsbetont gehalten hatte, ein frustriertes, erbärmliches Nervenbündel, weil ein Mann an einem Schloss erst gerüttelt und dann das Interesse verloren hatte, es aufzubrechen.
Daran ist nun nichts zu ändern, dachte sie resigniert. Gewiss, unter den gegebenen Umständen hätten Phillip und sie niemals eine persönliche Beziehung welcher Art auch immer eingehen dürfen. Wenn sie es schafften, jetzt noch miteinander zu reden, dann nur wegen des Kindes. Sie waren beide erwachsen, würden einander mit kühler Höflichkeit begegnen und letztlich – so hoffte sie wenigstens – vernünftig miteinander umgehen können.
Um Seths willen.
Sie öffnete die Augen,
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