Hafen der Träume: Roman (German Edition)
ja nicht aus der Wache zerren und zu einem Gespräch zwingen können, Cameron.«
»Das wäre mir jedenfalls wesentlich lieber gewesen, als sie einfach laufen zu lassen.«
»In dem Moment vielleicht. Aber es ist im Interesse von Seth und von uns, die Angelegenheit vernünftig und auf legalem Wege zu regeln.«
»Denkt eigentlich einer von euch daran, wie Seth dabei zumute ist?« Cam fuhr herum und funkelte seine Frau und seinen Bruder wütend an. »Meint ihr, er hat das Gefühl, es ist in seinem Interesse, dass wir Gloria schon am Kragen hatten und nichts gegen sie unternommen haben?«
»Ihr habt doch etwas unternommen.« Anna konnte Cams Frustration nachfühlen und versuchte ihn zu beschwichtigen. »Ihr habt ein Treffen mit ihr in meinem
Büro vereinbart. Wenn sie die Verabredung nicht einhält, spricht das eindeutig gegen sie.«
»Sie wird mit Sicherheit morgen nicht im Jugendamt auftauchen«, meldete Phillip sich zu Wort. »Aber Sybill wird da sein.«
»Und der sollen wir trauen?« fragte Cam schneidend. »Sie hat uns von Anfang an belogen.«
»Du hast sie heute Abend nicht gesehen«, entgegnete Phillip ruhig. »Aber ich.«
»Ja, und wir wissen ja, mit welchem Körperteil du sie ansiehst, Bruder.«
»Schluss damit.« Anna trat energisch zwischen die beiden Streithähne, die mit geballten Fäusten und blitzenden Augen aufeinander losgehen wollten. »In diesem Haus wird nicht geprügelt.« Sie schlug Cam mit der flachen Hand vor die Brust und dann Phillip. Beide rührten sich nicht von der Stelle. »Wenn ihr euch die Köpfe einschlagt, ist niemandem geholfen. Wir müssen zusammenhalten. Seth zuliebe.« Und als sie hörte, wie die Haustür geöffnet wurde, fügte sie streng hinzu: »Nun setzt euch beide. Hinsetzen!« ihre Stimme duldete keinen Widerspruch.
Die beiden Männer maßen einander immer noch mit finsteren Blicken. Wiederwillig zog sich jeder einen Stuhl heran und setzte sich. Anna seufzte erleichtert auf, als Seth hereinstürmte, gefolgt von den zwei mit dem Schwanz wedelnden Hunden.
»Hey, was ist los?« Sein munteres Grinsen verschwand. Sein Leben mit Glorias unberechenbaren Launen hatte ihn gelehrt, sehr empfindsam auf Stimmungen zu reagieren. Und in der Küche schien es vor Spannung und unterdrückter Feindseligkeit zu knistern.
Er machte einen Schritt zurück, als Ethan hinter ihn trat und ihm eine Hand auf die Schulter legte. »Mmmm, der Kaffee duftet«, meinte er sanft und ließ
seine Hand auf Seths Schulter liegen, um dessen Rückzug zu verhindern und ihn gleichzeitig zu beschwichtigen.
»Ich hole Tassen.« Grace drängte sich an den beiden vorbei und eilte zum Geschirrschrank. Ihr war wohler, wenn sie sich mit irgendetwas beschäftigte. »Seth, willst du eine Cola?«
»Was ist passiert?« Seine Lippen fühlten sich pelzig an, und seine Hände waren kalt.
»Das ist gar nicht so einfach zu erklären.« Anna ging zu ihm und nahm sein Gesicht in beide Hände. Das Wichtigste war jetzt, ihm die Angst zu nehmen, die deutlich in seinen Augen zu lesen war. »Du musst dir keine Sorgen machen.«
»Hat sie wieder Geld verlangt? Kommt sie hierher? Hat man sie laufen lassen?«
»Setz dich erst mal, wir erklären dir alles in Ruhe.« Sie schüttelte entschieden den Kopf in Cams Richtung, der zum Sprechen ansetzen wollte, bedachte Phillip mit einem vielsagenden Blick, während sie Seth zum Tisch führte. Phillip war besser informiert, er sollte dem Jungen die Lage erklären.
Wo, zum Teufel, sollte er anfangen? Phillip fuhr sich mit gespreizten Fingern durchs Haar. »Seth, weißt du etwas von der Familie deiner Mutter?«
»Nein. Sie hat mir nur Blödsinn erzählt. Jedes Mal was anderes. Einmal waren ihre Eltern reich, richtig stinkreich, aber sie sind gestorben, und ein mieser Anwalt hat das ganze Geld geklaut. Oder sie war ein Waisenkind und ist ihrer Pflegefamilie fortgelaufen, weil der Stiefvater versucht hat, sie zu vergewaltigen. Dann war ihre Mutter plötzlich ein Filmstar, der sie zur Adoption weggab, weil sie der Karriere geschadet hätte. Sie hat ständig eine neue Geschichte erfunden.«
Während er sprach, wanderte sein Blick von einem zum andern, er versuchte in ihren Gesichtern zu lesen.
»Wen interessiert das schon?« wollte er wissen und ließ das Glas Cola unberührt, das Grace vor ihn hingestellt hatte. »Ist doch unwichtig, oder? Auf jeden Fall gab es da niemand, sonst hätte sie die Leute längst um Geld angehauen.«
»Doch es gibt jemand, und diese Person hat deine Mutter
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