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Hafen der Träume: Roman (German Edition)

Hafen der Träume: Roman (German Edition)

Titel: Hafen der Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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würde im Jugendknast landen, und dann würde einer über mich herfallen, wie ein paar von ihren Freiern es wollten. Wenn ich mal
drin gewesen wäre, hätten die mit mir machen können, was sie wollten. Draußen konnte ich wenigstens abhauen.«
    »Deine Mutter hat dich belogen«, sagte Anna leise, während Sybill verzweifelt nach Worten suchte, nach irgendetwas, das sie ihm hätte sagen können. »Die Polizei hätte dir geholfen.«
    »Wusste deine Mutter davon?« brachte Sybill mühsam hervor. »Wusste sie von den Männern, die versuchten … dich anzufassen?«
    »Klar. Sie fand es komisch. Mann, wenn sie stoned ist, findet sie alles komisch. Und wenn sie besoffen ist, schlägt sie zu.«
    Konnte dieses Monster, von dem der Junge so gleichmütig erzählte, wirklich ihre Schwester sein? »Wie … weißt du, warum sie Kontakt mit Professor Quinn aufnahm?«
    »Nein, keine Ahnung. Einmal war sie ganz aufgekratzt und redete davon, dass sie auf eine Goldmine gestoßen ist. Und dann war sie ein paar Tage verschwunden.«
    »Sie hat dich allein gelassen?« Wieso sie das so entsetzte, nach allem, was sie gehört hatte, konnte Sybill nicht beantworten.
    »Hey, ich komm gut allein zurecht. Als sie zurückkam, war sie völlig aus dem Häuschen. Sagte, endlich sei ich zu etwas zu gebrauchen. Sie hatte Geld, richtig viel Kohle. Sie besorgte sich eine Menge Stoff, ohne dafür anschaffen zu gehen. Sie war tagelang stoned und happy. Dann kam Ray. Er sagte, ich kann mit ihm gehen. Erst dachte ich, er wäre so einer wie die Typen, die sie anschleppt. Aber er war anders. Das hab’ ich schnell kapiert. Er sah so traurig und müde aus.«
    Seine Stimme hatte sich verändert, war weich geworden, stellte Sybill fest. Er trauerte also auch um ihn.
    »Und als er sie in dem Zustand sah, wurde er richtig
sauer«, fuhr Seth fort. »Er schrie sie nicht an oder so was, aber seine Augen wurden ganz böse. Er schickte sie weg. Er gab ihr Geld, sie nahm es und ging. Dann sagte er mir, er hat ein Haus am Wasser und einen Hund, und dass ich da wohnen kann, wenn ich will. Und niemand mischt sich mehr ein.«
    »Und du bist mit ihm gegangen.«
    »Er war alt«, sagte Seth schulterzuckend. »Ich wäre weggelaufen, wenn er etwas von mir gewollt hätte. Aber auf Ray war Verlass. Er war anständig. Er hat mir versprochen, dass ich nie mehr zurück muss. Und ich gehe nicht zurück. Egal, was passiert, ich gehe nicht zurück. Und Ihnen traue ich nicht.« Seine Augen waren wieder die eines Erwachsenen, seine Stimme beherrscht und voller Verachtung. »Weil Sie gelogen und so getan haben, als wären Sie anständig. Aber sie haben nur herumgeschnüffelt und uns ausspioniert.«
    »Du hast Recht.« Nie war ihr etwas schwerer gefallen, als in diese verächtlichen Kinderaugen zu blicken und ihre eigenen Verfehlungen zu gestehen. »Du hast keinen Grund, mir zu vertrauen. Ich habe dir nicht geholfen. Ich hätte dir helfen können, damals, als sie dich nach New York brachte. Ich wollte nichts begreifen. Es war einfacher, nichts zu begreifen. Und als ich eines Tages nach Hause kam und ihr wart beide verschwunden, habe ich mich auch nicht darum gekümmert. Ich redete mir ein, es ginge mich nichts an, ich wäre nicht für dich verantwortlich. Das war nicht nur falsch – das war sogar entsetzlich feige.«
    Seth wollte ihr nicht glauben, er wollte das Bedauern und die Reue in ihrer Stimme nicht hören. Er ballte die Fäuste auf den Knien. »Es geht Sie auch nichts an.«
    »Sie ist meine Schwester, daran kann ich nichts ändern.« Die Verachtung in seinem Blick schmerzte zu stark, deshalb wandte sie sich an Anna. »Was kann ich tun? Kann ich eine Aussage machen? Kann ich mit Ihrem
Anwalt sprechen? Ich bin Psychologin und Glorias Schwester. Ich nehme an, dass meine Meinung ziemliches Gewicht bei Ihrem Antrag auf endgültige Vormundschaft für Seth hat.«
    »Ja, mit Sicherheit«, murmelte Anna. »Es wird nicht leicht für Sie sein.«
    »Ich hege keine Gefühle für meine Schwester. Ich bin nicht stolz darauf, das zu sagen, aber es ist die Wahrheit. Ich empfinde nichts für sie. Auch die Verantwortung, zu der ich mich ihr gegenüber verpflichtet fühlte, ist nicht mehr da. Aber ich bin Seths Tante, auch wenn er wollte, es wäre nicht so. Ich will ihm helfen.«
    Sie erhob sich und ließ den Blick über die Anwesenden schweifen. Dabei zog sich ihr Magen zusammen, und ihr Puls hämmerte. »Das alles tut mir unendlich Leid. Ich weiß, dass eine Entschuldigung sinnlos ist. Es gibt

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