Hafen der Träume: Roman (German Edition)
keine Entschuldigung für das, was ich getan habe. Gründe wohl, aber keine Entschuldigungen. Mir ist völlig klar, dass Seth da ist, wo er hingehört, wo er glücklich ist. Wenn Sie mir einen Moment Zeit geben, um meine Gedanken zu sammeln, mache ich eine Aussage.«
Sie verließ den Raum ohne Eile, ging den Flur entlang ins Freie, um frische Luft zu schnappen.
»Sie hat ziemlichen Mist gebaut und sich falsch verhalten, aber jetzt scheint sie begriffen zu haben.« Cam stand auf und kühlte seinen inneren Aufruhr mit einer Wanderung durch das enge Büro. »Mann, die kann nichts so leicht aus der Ruhe bringen.«
»Das frage ich mich«, murmelte Anna. Auch sie war eine gute und geübte Beobachterin, und ihr Gefühl sagte ihr, dass hinter Sybills gelassener Fassade mehr brodelte, als einer der Anwesenden vermutete. »Sie auf unserer Seite zu wissen ist zweifellos hilfreich. Ich halte es für das Beste, wenn ihr uns beide alleine lasst, damit ich mit ihr reden kann. Phillip, du rufst den Anwalt an, erklärst
die Situation und fragst, ob er eine eidesstattliche Erklärung von ihr braucht.«
»Ja, ich kümmere mich darum.« Er runzelte die Stirn und blickte nachdenklich auf seine trommelnden Finger. »Sie hat ein Bild von Seth in ihrem Filofax.«
»Was?« Anna blinzelte ihn an.
»Ich habe in ihren Sachen geschnüffelt, bevor sie gestern Abend ins Hotel zurückkam.« Er feixte schuldbewusst, als seine Schwägerin entnervt die Augen schloss. Dann zuckte er die Achseln. »Ich hielt es für angebracht. Jedenfalls hat sie ein Foto von Seth, als er noch klein war, in ihrem Terminkalender.«
»Na und?« wollte Seth wissen.
»Und es war das einzige Bild, das ich in ihren Sachen fand. Interessant.« Er hob die Hände und ließ sie wieder sinken. »Vielleicht weiß Sybill etwas über Glorias Beziehung zu Dad. Gloria können wir nicht fragen, also sollten wir sie fragen.«
»Das wird nicht viel bringen«, sagte Ethan bedächtig. »Wenn sie etwas weiß, hat sie es vermutlich von Gloria. Und was wir davon zu halten haben, wissen wir. Ich jedenfalls halte nicht viel davon.«
»Wie wollen wir Fakten und Fiktion auseinander halten, wenn wir sie nicht danach fragen?« überlegte Phillip.
Innerlich gefestigter und entschlossen, die Sache hinter sich zu bringen, betrat Sybill wieder das Büro und schloss die Tür leise hinter sich.
»Wir wollen den Grund erfahren, warum Gloria unseren Vater erpresst hat.« Phillip stand auf. »Warum sie so sicher war, dass er bezahlt, dass er sich um Seth kümmert.«
»Seth sagte doch eben, er war ein anständiger Mann.« Sybills Augen wanderten über die Gesichter der drei Männer. »Ich denke, Sie sind der Beweis dafür.«
»Ein anständiger Mann hat aber keine ehebrecherische
Beziehung zu einer Frau, die halb so alt ist wie er, die er sitzen lässt, weil sie ein Kind von ihm erwartet.« In Phillips Stimme schwang Bitterkeit. Er trat einen Schritt auf Sybill zu. »Und Sie werden uns nicht davon überzeugen, dass Ray hinter dem Rücken unserer Mutter ein Verhältnis mit Ihrer Schwester hatte und sich nie um seinen Sohn gekümmert hat.«
»Wie bitte?« Ohne zu wissen, was sie tat, griff Sybill Halt suchend nach Phillips Arm, da der Schock ihr so sehr in die Glieder fuhr, dass sie das Gleichgewicht zu verlieren drohte, der Raum sich um sie zu drehen begann. »Aber so war es nicht. Sie sagten doch, Sie glauben nicht, dass Gloria und Ihr Vater …«
»Aber andere glauben es.«
»Aber das … wie kommen Sie auf die Idee, dass Seth sein Sohn sein könnte, der Sohn von Ray und Gloria?«
»Wenn Sie sich umhören, wird Ihnen das jeder in der Stadt erzählen.« Phillips Augen verengten sich, als er Sybill musterte. »Das hat ihre Schwester in die Welt gesetzt. Sie behauptet, Ray habe sie sexuell genötigt, anschließend erpresst sie ihn und verkauft ihm ihren Sohn.« Er drehte sich über die Schulter zu Seth und blickte ihm in die Augen, in Ray Quinns Augen. »Ich behaupte, das ist eine Lüge.«
»Natürlich ist es eine Lüge. Eine grässliche Lüge.«
Im verzweifelten Wunsch, wenigstens eine Winzigkeit ihrer Verfehlungen wieder gutzumachen, eilte sie zu Seth und ging vor ihm in die Knie. Sie wünschte sich sehnlichst, seine Hand zu nehmen, unterdrückte jedoch den Wunsch, als er vor ihr zurückwich.
»Ray Quinn war nicht dein Vater, Seth. Er war dein Großvater. Gloria ist seine Tochter.«
Seine Lippen begannen zu zittern, seine tiefblauen Augen schwammen in Tränen. »Mein
Weitere Kostenlose Bücher