Hafenmord - ein Rügen-Krimi
die Kamera ab. »Kannst du dir vorstellen, dass man diesen Keller als Gefängnis benutzen kann?«, stellte er statt einer Antwort die Gegenfrage.
Buhl stutzte. »Aber hier ist nichts …«
»Eben. Keine Spuren. Alles beseitigt. Bis zum nächsten Mal. Wir gehen inzwischen davon aus, dass der Richardt die Lauber umgebracht und noch zwei andere Frauen entführt hat.«
Buhl kratzte sich am Hinterkopf. »Um sie hierher zu verschleppen?«
»Sehr gut möglich. Die beiden anderen hat er nach einigen Tagen mit Tabletten betäubt und an der Autobahn ausgesetzt. Keine konnte sagen, wo sie war. Der Täter war maskiert. Und grausam. Einzelheiten hoffen wir noch in Erfahrung zu bringen, wobei Hoffnung irgendwie der falsche Ausdruck ist.«
Buhl wischte sich über die Nase. Kasper sah ihn an. »Guck dich noch mal um, Kollege, und zwar unter dem Gesichtspunkt, dass ein perverser Frauenquäler diesen Keller zeitweise in Betrieb hatte. Er hat wahrscheinlich jedes Mal gründlich wieder sauber gemacht und alle Spuren zu beseitigen versucht …«
»Aber irgendwas bleibt immer hängen. So wie die Socke und die Handschuhe.«
»Das wollte ich damit sagen. Er wird die Frauen gefesselt haben«, sinnierte Kasper weiter. »Sie werden irgendwann mal was gegessen haben, sie mussten aufs Klo und so weiter. Vielleicht gibt es irgendwo eine Müllecke, auch in den anderen Gebäuden, die er vergessen hat.«
»Verstehe. Ich takte die Jungs noch mal neu ein.« Buhl nickte mit ernster Miene. »Das ist ein beschissener Fall. Kann mich an keinen beschisseneren erinnern.«
»Du sagst es. Ich schlafe verdammt schlecht. Magst du einen Kaffee? Die Chefin gibt einen aus. Für dich und deine Jungs und die Sassnitzer Kollegen.«
»Nett von der Italienerin.« Buhl lächelte. »Ja, ich nehme einen. Mit viel Milch und Zucker.«
»Ich kümmere mich darum. Bis später. Sieh zu, dass wir die Analysen so schnell wie …«
»Mann, Schneider – der Satz hat ’nen Bart bis Putgarten!«
»Schon gut.«
Eine halbe Stunde später fuhr Kasper im Eiltempo nach Bergen zurück, um seine Telefonliste abzuarbeiten.
Dr. Kranold erwies sich als liebenswürdiger älterer Herr, der kurz vor der Pensionierung stand und sofort bereit war, sich Zeit für ein Gespräch zu nehmen, nachdem Schneider ihm in groben Zügen von den Ermittlungen auf Rügen berichtet und darauf hingewiesen hatte, dass das gefundene Skelett zweifelsfrei identifiziert werden konnte.
Kranold brauchte eine ganze Weile, um die Nachricht, dass Beate Lauber sehr wahrscheinlich Opfer eines Gewaltverbrechens geworden war, zu verarbeiten. Seine anschließenden Hinweise waren leider alles andere als eine Fundgrube.
»Sie war empört über das Verhalten der Wessis – so sagte man ja damals noch«, erläuterte der Jurist, auf die Hotelgeschichte angesprochen. »Wessis und Ossis.«
»Ja, so sagt man heute auch noch häufig.«
»Stimmt.« Kranold ließ ein Lachen folgen, das jedoch abrupt verstummte. »Nun, wie dem auch sei. Eines Tages kam sie nicht in die Kanzlei. Niemand konnte sich erklären … Na, den Ausgang der Geschichte kennen Sie ja inzwischen.«
Aber leider nicht genau genug. Kasper wechselte das Telefon ans andere Ohr. »Doktor Kranold, hat Ihre Mitarbeiterin eigentlich damals Einzelheiten zu dieser Hotelsache erzählt? Können Sie sich zum Beispiel daran erinnern, dass sie Namen nannte?«
»Tja, um ehrlich zu sein – ich weiß nicht … Kann sein. Kann nicht sein.«
»Erwähnte sie vielleicht einen Kai Richardt?«, hakte Schneider nach.
»Wissen Sie, die Geschichte lag ja schon so lange zurück«, wich Kranold aus. »Und dieser ganze Zwist war nachher so nebensächlich, als sie verschwand.«
Wenn du wüsstest, dachte Kasper. »Die Polizei hat seinerzeit auch bei Ihnen nachgefragt. Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, Ihr Verschwinden könnte mit dieser alten Sache zusammenhängen?«
»Ehrlich gesagt – nein. Das kam mir vor wie eine längst vergangene Familien- und, ja, DDR-Geschichte. Außerdem hat Beate sich häufig mal aufgeregt. Sie konnte sich ziemlich ereifern – über alles Mögliche. Ich habe die Polizei jedoch darauf hingewiesen, dass sie einige Wochen zuvor Urlaub hatte und auf Rügen bei ihrem Großvater war. Der wird doch genauer gewusst haben, womit seine Enkelin sich beschäftigt hatte.«
Kasper seufzte unterdrückt. Leider hatte niemand so richtig zugehört und es auch nicht für nötig befunden, noch mal nachzufragen. Alte DDR-Geschichten. Wer fragt da schon gerne noch
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