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Hafenmord - ein Rügen-Krimi

Hafenmord - ein Rügen-Krimi

Titel: Hafenmord - ein Rügen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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vielleicht an Ihre Socken?« Romy befürchtete, dass Mirjam ihr einen Vogel zeigen würde, aber zu ihrer großen Überraschung nickte sie sofort. »Ja.«
    »Ach?«
    »Ich hatte mir in der Mittagspause neue Socken besorgt, weil mir ein Hund in der Praxis auf die Füße gekotzt hatte«, erwiderte sie. »Es gibt Dinge, die vergisst man einfach nicht, auch wenn sie noch so absurd sind.« Sie schüttelte verdutzt den Kopf.
    »Sie werden es nicht glauben, aber als ich an dem Morgen nackt an der Autobahnraststätte aufgewacht bin, hatte ich den irrwitzigen Gedanken, dass dieses Schwein nicht nur alles in mir abgetötet, sondern sogar meine neuen Socken geklaut hatte. Völlig verrückt, oder? Ich mochte sie: blaue Kringelsocken mit einem Herz auf der Ferse.«
    Romy griff in die Tüte, die Kasper ihr wortlos gereicht hatte. Die Farben waren verblasst, die Wolle löchrig, aber als sie Mirjam die Socke mit der Ferse nach oben reichte, wurde ein winziges Herz sichtbar.
    »Wo haben Sie die gefunden?«, fragte Mirjam Lupak mit zarter, kindlicher Stimme, die Romy ins Herz schnitt. Sie barg die Socke in den Händen.
    »In demselben Gebäude hinter der Fischfabrik im Hafen, in dem man Richardt fand und das Skelett einer Frauenleiche. Im Keller.«
    Mirjam starrte sie an.
    »Er hatte sich oben eine Werkstatt und unten einen gut versteckten Kellerraum eingerichtet.«
    »Ich werde dort nicht hingehen«, sagte Mirjam.
    »Nein«, entgegnete Romy sofort. »Mein Kollege hat denRaum gefilmt. Sie bräuchten keine Minute, um ihn zu identifizieren. Ich weiß, dass ich viel verlange …«
    Mirjam legte eine Hand über ihren Mund, mit der anderen hielt sie die Socke fest. Kasper drehte den Monitor herum und ließ das Video vorspulen. Als die Kamera den geräumigen Keller erfasste und abzutasten begann, zuckte sie zusammen, und ihr Gesicht versteinerte.
    »Zählen Sie von eins bis zehn und wieder rückwärts«, befahl Romy. »Und atmen Sie im Rhythmus der Zahlen.«
    Mirjam starrte sie verdutzt an. »Kennen Sie dieses Abzählspiel auch, wenn die Angst einen zu überwältigen droht?«
    »Ich brauche es manchmal, damit die Trauer mich aus der Umklammerung lässt. Man kann auch bis zwanzig zählen oder bis hundert. Am besten funktioniert es, wenn man am Meer steht und die Wellen zählt.« Wie sie mit leisem Schmatzen unermüdlich über den Sand gleiten. Es gibt Dinge, die sich nie ändern, dazu gehört auch der Rhythmus des Meeres. Romy lächelte traurig und spürte Kaspers besorgten Seitenblick.
    Mirjam atmete mehrmals gleichmäßig durch und sah wieder auf den Monitor. »Das ist der Keller. Aber das Regal stand auf der anderen Seite. Am Bett war ich meist gefesselt«, erklärte sie monoton und sehr schnell, fast hektisch. »Es passierte immer das Gleiche. Ich musste mit ihm spielen, als wäre ich ein kleines Kind. Das war fürchterlich, aber wenigstens machte er für die Zeit die Fesseln und die Augenbinde ab. Dann schlug und vergewaltigte er mich. Später wusch er mich … überall. Ich wusste, dass er irgendwie verrückt war, aber das Wissen machte es eher noch schlimmer. Ich war noch hilfloser. Er senkte seine Stimme immer ab – sie war scharf und unangenehm. Ich hatte das Gefühl, dass er ständig da war – viel häufiger, als es tatsächlich der Fall war. Dann bekam ich mit, dass er mich beobachtete. Mit einer Kamera …«
    »Was?« Romy stockte der Atem. Das Stromkabel, schoss es ihr durch den Kopf.
    »Auf dem Regal befand sich eine kleine Kamera – ich entdeckte sie nur, weil er sie am vorletzten Tag neu ausrichtete und meine Augenbinde sich verschoben hatte. Ich konnte einen flüchtigen Blick auf ihn erhaschen und bekam mit, was er machte, ohne dass er es bemerkte.«
    »Davon stand nichts in der Akte«, bemerkte Romy.
    »Natürlich nicht. Ich konnte kaum über die Geschehnisse sprechen. Und über die Kamera am allerwenigsten.«
    »Sagen Sie mir, warum nicht?«
    »Sie ist im Nachhinein der größte Alptraum gewesen: dass es Aufnahmen von mir gibt, ganze Filme, die er sich jeden Tag ansieht! Als würde der Schrecken ständig weitergehen, ohne dass ich irgendeinen Einfluss darauf nehmen konnte … Wissen Sie, er hat geschworen, dass er immer bei mir sein würde. So gesehen, stimmte das ja sogar. Erst jetzt hat alles ein Ende gefunden …« Sie brach ab und sah Romy an. »Finden Sie die Aufnahmen und zerstören Sie sie!«
    Romy nickte langsam.
    »Kann ich jetzt gehen?«
    »Natürlich. Ich lasse Sie zu Ihrem Mann bringen …«
    »Nicht nötig

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