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Hafenmord - ein Rügen-Krimi

Hafenmord - ein Rügen-Krimi

Titel: Hafenmord - ein Rügen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Chefs, er könne sich gerne mit Aufgaben im Bereich der Akten- und Datenpflege beschäftigen, überhörte er geflissentlich. Mit neunundvierzig Jahren fühlte er sich nicht mehr berufen, Praktikantenjobs zu übernehmen.
    Der Anruf aus Bergen war ihm gerade recht gekommen, zumal die Schilderungen der leitenden Kommissarin so gar nicht nach einem gewöhnlichen Amtshilfeersuchen klangen.
    Beerwald brauchte nicht allzu lange, um den ehemaligen Hotelier Martin Richardt und seine Frau Anna im Archivbestand des Polizeicomputers ausfindig zu machen. Das Ehepaar hatte von 1970 bis 1996 gemeinsam ein nobles Haus in der Altstadt geführt. In der Zeit waren sie zweimal aktenkundig geworden, wie Beerwald recherchierte.
    Der erste Fall lag fast vierzig Jahre zurück. Im Mai 1972 hatte Dr. Robert Mathiesen, Kinderarzt im Lübecker Marien-Krankenhaus, Anzeige erstattet, nachdem der neunjährige Mark Richardt an einem Blinddarmdurchbruch gestorben war. Der Mediziner hatte den schweren Vorwurf erhoben, dass die Eltern ihre Aufsichts- und Sorgfaltspflichtgrob vernachlässigt und die Beschwerden des Kindes nicht ernst genommen hätten, so dass der Junge keine Chance mehr gehabt hatte, als er endlich ins Krankenhaus gebracht worden war. Die Ermittlungen waren jedoch wieder eingestellt worden, da man den Eltern keine Absicht unterstellen konnte und das Ehepaar zuvor in keiner Weise auffällig geworden war.
    Der zweite Fall war gänzlich anders gelagert und ließ Beerwald aufhorchen. Im Frühjahr 1990 hatte die Polizei nach der vermissten Lilly Arnold gefahndet. Die zweiundzwanzigjährige Schiffsstewardess hatte an einer Fortbildung teilgenommen und war während eines mehrtägigen Aufenthaltes in Richardts Hotel von einem Tag auf den anderen spurlos verschwunden. Bei der Durchsuchung ihres Zimmers konnten Blutspuren sichergestellt werden, doch weitere Hinweise fanden sich nicht im Hotel. Auch die Überprüfung der Gäste, des Personals und der Hotelinhaber sowie der anderen Fortbildungsteilnehmer brachte keinerlei Ergebnisse. Die Ermittlungen verliefen im Sande.
    Falls ein Verbrechen stattgefunden hatte, war es dem Täter gelungen, Lilly Arnold in ihrem Zimmer zu überwältigen und unbemerkt aus dem Hotel zu schaffen. Bis heute fehlte jede Spur von der Frau.
    Nach dem, was die Kollegin aus Bergen berichtet hatte, musste der Sohn des Hoteliers als möglicher Täter in Betracht gezogen werden, stellte Beerwald fest.
    Er ging die einzelnen Protokolle der Befragungen durch und stellte fest, dass Kai Richardt seinerzeit mit seiner Umsiedelung nach Rügen beschäftigt gewesen war. Für den fraglichen Zeitpunkt konnte er überzeugende Alibis anführen – Geschäftstermine in Schwerin und Bergen. Niemand hatte einen Verdacht geschöpft. Wie es aussah, hatte man seine Angaben nur oberflächlich überprüft. Das war ganz offensichtlich ein Fehler gewesen.
    Beerwald griff zum Telefon und berichtete Kommissarin Romy Beccare von seinen Recherchen. Die schwieg eine ganze Weile.
    »Hab ich’s mir doch gedacht«, meinte sie schließlich. »Ungefähr alle fünf Jahre ist der Kerl aktiv geworden.«
    »Scheußlicher Fall. Und keine einfache Ermittlungsarbeit nach all den Jahren, wenn ich das aus der Ferne richtig einschätze«, bemerkte Beerwald.
    »Das schätzen Sie verdammt richtig ein. Gibt es eigentlich noch mehr Einzelheiten zum Tod des Bruders?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Hat der Arzt sich genauer geäußert?«, präzisierte Beccare ihre Frage.
    »Nein – zumindest ist hier nichts vermerkt. Der Junge wurde viel zu spät ins Krankenhaus gebracht, so dass er nicht mehr zu retten war – so lautete seine Diagnose.«
    »Wie alt war der behandelnde Arzt damals?«
    »Knapp dreißig«, erwiderte Beerwald, nachdem er einen weiteren Blick in die Akte geworfen hatte. »Ich ahne, worauf Sie hinauswollen, Kollegin. Nur: Warum wollen Sie nach der langen Zeit derart ins Detail gehen?«
    »Die Geschichte mit dem Tod des Bruders hat Kai Richardt nachhaltig beeinflusst«, erklärte die Kommissarin. »Irgendwas ist in dieser Familie fürchterlich schiefgelaufen. Ich muss in Kürze auch mit den Eltern Kontakt aufnehmen – die sind zurzeit nicht erreichbar –, und ich möchte wissen, was da vorgefallen ist, um die Hintergründe des Falls besser zu verstehen. Im Moment steht Richardt als widerliches Monster da, dessen Tod keinen rührt, der weiß, was er auf dem Kerbholz hat. Aber kaum jemand wird so geboren, so grausam und berechnend – nach meiner festen

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