Hafenweihnacht
sieht dich doch!«
Unbeeindruckt davon beobachtete sie, wie die beiden am Auto noch einige Sätze miteinander wechselten, dann aber nicht wegfuhren, sondern die Straße nach vorne gingen und hinter dem Erdwall und Heckendickicht außer Sicht gerieten.
»Meinst du, wir hätten etwas sagen sollen?«, fragte sie.
»Ja, noch schöner aber auch. Was gehen uns diese Leute an. An denen klebt das Unglück und da soll es auch bleiben. Schlimm genug, dass sie einen, tot wie sie sind, immer noch beschäftigen und der alte Ärger wieder hervorkommt.«
Frau Savatzki ging zum Telefon, drückte eine Taste des Zielspeichers und beschrieb in wenigen Worten, wer sie gerade aufgesucht hatte und worum es gegangen war. Dann legte sie auf und stellte sich wieder ans Fenster.
»Kam mir seltsam vor«, stellte Lydia Naber fest.
Er lachte hämisch: »Wohltemperiertes Klavier … Gould … Richter … so ein blödes, angelesenes Geschwätz …«, sagte er.
Am nächsten Haus trafen sie auf eine Frau, die gerade Müll in die Tonnen entsorgte und immer wieder den Kragen ihrer dünnen Strickweste eng an den Hals zog. Frau Grosche, wie sie sich mürrisch und abweisend vorstellte, musterte die beiden scharf und bat sie nur ungern hinein, allerdings nur bis in den Hausgang. Lydia Naber berichtete wie beiläufig vom Einbruch, um zielstrebig auf die Familie Drohst zu kommen. Frau Grosche winkte nur ab und erzählte vom Streit, den sie und vor allem ihr Mann all die Jahre mit Heinrich Drohst gehabt hatten. Auch auf Jochen und Britta Drohst war sie nicht gut zu sprechen. »Aber was soll denn schon aus solchen Kindern werden, wenn man sie so behandelt.« Wieder machte sie eine wegwerfende Handbewegung und drehte sich zur Seite.
»Wie wurden sie denn behandelt?«
»Sie waren doch im Haus, nicht wahr, sie haben es doch gesehen?«
»Ja, schon«, meinte Robert Funk, der nicht wusste, was er damit anfangen sollte.
»Ja verrückt oder, diese Einteilung schon. Die Kinder in eine eigene Wohnung abzuschieben, ist doch verrückt, oder?«
»Wie meinen Sie das?«
»Nun der obere Stock, da haben die zwei gelebt. Die durften nicht runter, die haben da nicht zusammen gegessen, sondern sie hat das Essen nach oben gebracht. Verrückt, oder.«
Robert Funk sah Lydia Naber an. Er konnte sich das gar nicht vorstellen.
»Von klein auf waren die oben und er und seine Frau waren unten. Das war ein Tyrann, das sage ich Ihnen und alle hatten Angst vor ihm, und vor dem Jochen später dann auch.«
»Vor dem Jochen?«
»Ja, das war doch der gleiche Typ. Glauben Sie, der hat einmal gegrüßt, wenn er hier vorbeigelaufen ist, und gestritten wie der Alte. Da war niemand bös, wenn der sich nicht hat sehen lassen, ob in der Kirche, im Segelclub oder sonst wo. Alle waren doch froh, dass er fortgeblieben ist.«
Lydia Naber wusste gar nicht, wie sie auf diese brüskierende Aussage reagieren sollte. Ein wenig unfreundlich fragte sie: »Geht es vielleicht ein wenig konkreter? Nur weil jemand nicht grüßt …«
»Ja, es ist halt schwer zu beschreiben. Der Heinrich Drohst, der war sehr unfreundlich, hat einen nie gegrüßt … immer nur böse angeschaut. Sie, ich sage Ihnen! Auf die Dauer ist das nicht schön, wenn Sie Ihr Nachbar nicht grüßt, aus dem Garten rüberschimpft und bei jedem Schmarrn den Anwalt schreiben lässt. Das macht einen mürbe, auch wenn Sie es nicht glauben wollen. Was denken Sie, wie oft ich drinnen gehockt bin und geheult hab. Ein Segen, seit der Alte unter der Erde liegt. Ja, so sag ich es Ihnen! Es ist ein Segen und ich will von denen nichts mehr hören und nichts mehr sehen!«
Frau Grosche wendete sich von den beiden ab und ergriff die Türklinke. Das machte deutlich, dass sie das Gespräch als beendet betrachtete.
Robert Funk ging mit Lydia Naber zurück zum Auto. »Jetzt ist das so ein Idyll hier draußen – herrliche Häuser, gesicherte, bürgerliche Existenzen, es könnte das reinste Paradies sein …«
Lydia fiel ein: »Und dann wohnt so ein Typ wie Drohst neben dir.«
»Tja, das macht keinen Spaß, fürwahr.«
Frau Grosche hatte kaum die Türe zum Vorraum hinter sich geschlossen, da ging sie zum Telefon und wählte eine Nummer.
»Sie waren auch bei mir. Ich hab nichts gesagt.«
»Gut. Sehr gut«, lobte Frau Savatzki.
Robert Funk meinte, am Auto angekommen, zu Lydia: »Also du hast nirgends Polizei stehen, weder auf den Klamotten und auch nicht auf der Stirn, und ich auch nicht. Woher hat diese Grosche gewusst, dass wir von der
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