Hafenweihnacht
Robert Funks kurzem Bericht niemand mehr äußern wollte, hatte Kimmel ein Einsehen und verabschiedete seine Leute in ein gutes erstes Adventswochenende.
*
Schielin war müde, als er zu Hause ankam. Er stand ausgiebig unter einer heißen Dusche und genoss anschließend das Abendessen, dessen würziger Geruch bereits den gesamten ersten Stock erfüllte. Die Weingläser waren auch schon gefüllt. Welche ein Service. Und er erinnerte sich an den ungewohnt harmonischen letzten Abend. Anscheinend konnte er den Polizisten in sich nicht ablegen. Seine Sensoren waren aktiviert.
Marja und Laura gingen bei der Gesprächswahl so geschickt vor, dass nicht ein einziges Thema berührt wurde, welches auch nur annähernd zu einer Diskussion mit unterschiedlichen Meinungen hätte führen konnte. Es war eine Bemerkung seiner Frau und ein kurzer, verräterischer Augenaufschlag seiner Jüngsten, die ihm signalisierten, mit seiner Ahnung nicht falsch zu liegen. Etwas war im Busch.
Marja erzählte, dass es dieses Jahr auf der Insel kein Krippenspiel geben würde, und von den Diskussionen, die es darüber gab. Er hatte dies mit einem unmotivierten Laut des Bedauerns kommentiert. Wozu auch mehr dazu äußern. Was ging ihn die Insel an, wo er doch in Reutin wohnte. Misstrauisch wurde er, als Lena sich auffordernd zu Wort meldete. »Das ist doch schade, oder?«
Natürlich war das irgendwie schade, fand er. Welches Interesse hatte aber seine Tochter an einem Krippenspiel auf der Insel. Robert Funk hatte auch schon davon erzählt. Es war wohl so, dass die Eltern ihre Kinder nicht mehr zu den Proben schickten. Ja nun, dann gab es das eben nicht mehr. Er nahm einen kräftigen Schluck Rotwein und holte noch mal einen Löffel Gemüse nach. So lange man aß, wurde man in Ruhe gelassen.
»Es ist ja dann so gar nicht weihnachtlich«, meinte Marja.
»Weihnachten findet in den Herzen statt, nicht in den Kirchen«, lautete seine Antwort, deren Boshaftigkeit ihn selbst begeisterte. Manchmal fiel einem wirklich etwas Brauchbares ein. Er dachte über das Krippenspiel nach. Sie würden von ihm doch nicht verlangen, ein Krippenspiel zu organisieren? Nein, das konnte nicht sein.
Er lenkte die Diskussion in eine andere Richtung und berichtete vom Engel-Tunneling und von der Auratherapie, was ihm eine höfliche Aufmerksamkeit sicherte, mehr aber nicht. Aha. Es gab also ein Konzept, von dem man sich nicht abbringen lassen wollte. Er schob den Teller weg und fragte: »Also, worum geht’s.«
Marja grinste. »Es ist schon schade, finde ich.«
»Ich finde es auch schade, aber …«
Lena fiel ein: »Also wir haben uns gedacht …«
»Wer ist wir?«, unterbrach er.
Marja nahm gekonnt das Tempo aus der Sache und begann mit der Schielin beunruhigenden Phrase: »Es ist ja nur so eine Idee.«
Hier in diesem Haus, das wusste er, wurde derart planmäßig nicht über nur so eine Idee gesprochen. Er beschloss vorerst gar nichts mehr zu sagen, sondern – egal womit er konfrontiert werden würde – zu schweigen. Ein solches Verhalten hatte sich in der Vergangenheit als zweckmäßig erwiesen.
Im Laufe des weiteren Gesprächs erfuhr er von der Idee einiger Insulanerfreundinnen Marjas, auf dem Platz zwischen Münster und Stephanskirche eine Lebendkrippe zu installieren, um dem Weihnachtsfest eine besondere Atmosphäre zu verleihen. Sie redeten, beschrieben, bestätigten einander und endlich kam der Satz, auf den er lange gewartet hatte. »Ronsard würde sich doch in der Krippe wunderbar machen. So ein kleines graues Eselchen macht doch nichts her.«
Schielin wehrte sich zunächst vorsichtig. »Lebendkrippe? Aber das hatten wir doch schon mal, unten am alten Reutiner Rathaus, und soweit ich mich erinnere, war es ein einziges Desaster.«
Lena unterbrach eifrig: »Ja, aber nur weil es das völlig falsche Konzept war und die Kuh Durchfall hatte und es geht auch nicht, dass man das alles nur einfach so hinstellt und dann kommen da Leute und sehen halt eine Lebendkrippe. Da gehört schon auch ein Programm dazu und unbedingt Ronsard … und bei dem müsstest du schon dabei sein.«
Interessant, fand Schielin. Es gab also tatsächlich bereits ein Konzept. Außerdem wunderte er sich im Stillen über Lenas Engagement in dieser Sache.
Marja schwieg und schenkte Rotwein nach.
Schielin schlug den Weg in Richtung Unverbindlichkeit ein. »Vierter Advent … ist ja noch eine Weile hin.«
Lena warf ihrer Mutter einen auffordernden Blick zu und er erhielt die Information, dass
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