Hafenweihnacht
war ein Fehler. Er hätte sofort, entrüstet und entschlossen mit »Nein« antworten müssen. Da er nicht sofort antwortete, sagte Schielin: »Es gibt also verschiedene Gründe, deretwegen Sie mit einem Erscheinen der Polizei rechnen könnten?«, während er sein Handy hervorholte. Er hatte die Nummer von Jochen Drohst gespeichert und bestätigte sie. Kurz darauf ertönte ein mattes Summen, im Wechsel mit einem rasselnden Ton. Es kam aus jenem Rucksack, aus dem Josef Zindl kurz zuvor seinen Ausweis gezogen hatte. Weitere Fragen erübrigten sich.
Schielin erklärte ihm die Festnahme. Lydia Naber ging zur Tür und rief nach Gommi, der entgeistert ankam. »Mensch, ich hab mir ja schon Sorgen gemacht«, begrüßte er sie, »Wenzel ist an der Rückseite und passt auf.«
Sie holte ihn ins Büro und wies auf Zindl, mit der Bitte diesem Handschellen anzulegen. Gommis Hände zitterten stark, als er die metallenen Schellen vorsichtig gegen die Handgelenke klacken ließ.
*
Josef Zindl ließ alles geschehen, ohne ein Wort zu sagen. Er schwieg, folgte den Anweisungen und saß später im Vernehmungsraum der Dienststelle, trank den Kaffee aus einem Plastikbecher, den ihm Gommi gebracht hatte, und nichts an ihm wirkte anders als einige Zeit zuvor im ESOVITAL. Er war unaufgeregt, beinahe souverän und beobachtete alle und alles mir wachen Blicken.
Sie waren von seiner Abgeklärtheit verwundert. Lydia Naber hätte heftigere Reaktion von dem Kerl erwartet. Erklärungen, Beschwichtigungen, Drohungen, was auch immer. Doch Zindl machte den Eindruck, als ginge ihn das alles nichts an.
Schielin förderte einige Datensätze über ihn aus dem Fahndungssystem zutage. Nichts Aktuelles, doch hatte der Hellfühler bereits des Öfteren bei der Polizei arbeiten lassen. Keine Gewalttaten, eher kriminalistischer Kleinkram, wie Betrügereien, Unterschlagungen und Erschleichungen. In der Summe hatte es für zwei mehrmonatige Haftzeiten gereicht.
War diese Erfahrung der Grund für seine Gelassenheit? Wie sollte man mit seiner Vernehmung verfahren, welche Strategie war geeignet? Schielin und Lydia Naber diskutierten darüber mit Wenzel und Robert Funk.
Kimmel kam. »Du musst dein Telefon später noch umstellen, Conrad. Ein Adrian Zuger ist bei mir gelandet und wollte wissen, ob du heute noch vorbeikommst.«
Schielin verzog das Gesicht. »Ah, den hab ich ganz vergessen.«
Als er kurz darauf mit Lydia Naber und Wenzel in den Vernehmungsraum zu Zindl kam, wurden ihre Fragen hinsichtlich der Vernehmungsstrategie schnell beantwortet. Kaum hatte Wenzel die Tür geschlossen, begann Zindl zu sprechen. Kurz, prägnant, mit klarer Stimme, die an manchen Stellen seine versteckte Aggression zutage treten ließ, insgesamt überheblich wirkte. »Sie haben meine Personalien, ich habe einen festen Wohnsitz und eine feste Arbeitsstelle. Zu diesem Handy kann ich nur sagen, dass ich es auf der Insel gefunden habe, ebenso diese Brieftasche. Ich habe sie in der Nacht von Donnerstag auf Freitag im Seehafen gefunden. Das Zeug lag in einer dieser Holzbuden für die Hafenweihnacht. Über die Herkunft kann ich Ihnen nichts sagen. Ich wollte sie am Montag im Fundbüro der Stadt abgeben. Eher geht das nicht, denn das hat am Samstag geschlossen. Mit einem Mord habe ich nichts zu tun und ich kenne auch keinen Herrn Drohst. Zur Sache selbst werde ich mich ab jetzt nicht mehr äußern. Ich verlange außerdem die Verständigung eines Rechtsanwalts. Das ist mein Recht und ich will nicht länger rechtswidrig festgehalten werden.«
Schielin nahm die Stellungnahme gelassen auf und sah Zindl beinahe amüsiert an. Die Distanz dieses Kerls zu dem, was mit ihm geschah, hatte ihn vorsichtig werden und mit etwas Derartigem rechnen lassen. Er antwortete unaufgeregt: »Zur Sache, zu der Sie sich nicht äußern möchten, kommen wir später noch, Herr Zindl. Zuvor noch ein paar Fragen Ihre Person betreffend. Sie sind verheiratet?«
»Ja.«
»Wo befindet sich Ihre Frau, wie können wir sie erreichen?«
Zindl war die Frage unangenehm. »Sie ist nicht hier.«
»Wo ist sie also?«
»In Dortmund auf einer Messe«, kam es unwillig.
»Messe?«, fragte Lydia Naber interessiert, »was ist das für eine Messe?«
»Wir haben dort einen eigenen Stand. Sie verkauft Steine.«
»Steine?«, wiederholte Lydia Naber überrascht und sah die Quader vor sich, die ihr Mann mit Hammer und Meißel bearbeitete, »ein Baustoffhandel?«
Zindl sprach und öffnete die Lippen kaum: »Nein. Sie verkauft
Weitere Kostenlose Bücher