Hafenweihnacht
am Dienstagvormittag Stellprobe wäre, er sich aber weiter um gar nichts kümmern müsse. Sie würden Ronsard auf die Insel schaffen und er brauche nur dazuzukommen. Die Parkplätze zwischen den Kirchen seien da zwar von Autos belegt, die würden für den Tag des Events frei sein, aber es ginge ja nur darum zu schauen, ob es überhaupt funktionieren könnte.
Eigentlich hätte er sich fundamental dagegen wehren wollen und im Geiste schienen eine ganze Reihe guter Argumente vor ihm auf, die er hätte ausbreiten wollen. Doch plötzlich war ihm das Bild von Britta Drohst in den Sinn gekommen. Und was seine Kollegen von dem Haus berichtet hatten, wo die Kinder von den Eltern getrennt lebten. Er blieb einen Augenblick bei dieser Vorstellung und ließ anschließend einen sowohl Zustimmung wie Gleichgültigkeit vermittelnden Laut hören. »Mhm … Mhm.«
Und eine kleine Chance bestand ja noch aus dem Ganzen herauszukommen, ohne selbst allzu sehr eine oppositionelle, den Familienfrieden gefährdende Haltung einzunehmen. Was hatte Marja nochmals gesagt? Die Parkplätze zwischen den Kirchen müssten frei sein? Er machte ein ernstes Gesicht, trank einen Schluck Rotwein und lachte innerlich. Das würde niemals klappen. Nicht in Lindau, wo man es mit einer Stadtverwaltung zu tun hatte, die jeden verfügbaren Quadratzentimeter mit weißer Farbe anzeichnete und vermarktete; eine Stadtverwaltung, der es möglich war, aus einer Ladung Wüstensand noch ein halbes Glas Wasser herauszupressen und die sogar den Pfarrämtern horrende Rechnungen zu unsinnigen Sachverhalten zukommen ließ. Schielin lehnte sich entspannt zurück und sah zufrieden aus. Ja, es bestand die Möglichkeit, um das Ganze herumzukommen, ohne selbst als Verhinderer dazustehen. Er hätte grinsen mögen. Dass er es noch mal erleben durfte auf die Stadtverwaltung zu hoffen. Ein Weihnachtswunder.
Später erfuhr er von Marja, dass Lenas eiferndes Engagement für die Lebendkrippe ihre Ursache in einem braun gelockten, rotbäckigen Johannes hatte.
Das beruhigte ihn, denn eine religiös eifernde Lena hätte ihn wirklich besorgt. Er brummte launig: »Solange kein Kevin angeschleppt wird …« Dann zog er sich in den Dachboden zum Musikhören zurück. Gabriel Fauré war heute an der Reihe. Das beruhigte und beflügelte gleichermaßen.
Hellfühler
Es war eine einsame Dienststelle, die er am Sonntagmorgen vorgefunden hatte. Er war der Erste gewesen, der die Türe aufschloss, das Licht einschaltete und das Faxgerät kontrollierte. Seine Schritten hallten wider, alle Türen waren geschlossen und im Gang streiften ihn nicht diese erquickenden Aromawolken aus einem Gemisch von Kaffeeduft, Plätzchengewürzen und brennenden Kerzen.
Für zehn Uhr war die Vorführung Zindls beim Haftrichter anberaumt. Robert Funk hatte zugesagt mit dabei zu sein. Das ermöglichte den anderen einen freien Adventssonntag. Robert Funk kam kurze Zeit später und die beiden hockten sich in den Besprechungsraum, wo es gemütlicher war, und gingen die Unterlagen für die Vorführung noch einmal durch. Viel hatten sie noch nicht über Zindl in Erfahrung bringen können, doch das war aktuell nicht von Bedeutung. Er war im Besitz von Gegenständen des Toten und das reichte für einen Haftbefehl. Vielleicht würde er vor dem Richter ja zu einer weitergehenden Erklärung bereit sein.
Kimmel hatte es sich nicht nehmen lassen, doch noch vorbeizuschauen. Ganz überraschend war er in der Tür gestanden. Die Körperhaltung und sein fahles Gesicht ließen den Schluss zu, dass er keine gute Nacht gehabt haben konnte. Allein bei den wenigen Schritten von der Tür zum Tisch war das Hinken deutlich zu erkennen.
Während Kimmel damit beschäftigt war, die Milch aus dem Kühlschrank zu holen, verständigten die beiden anderen sich mit einem vielsagenden Blick über ihre Meinung zu Kimmels Zustand. Es hatte keinen Sinn ihm ständig gute Ratschläge zu geben und davon zu sprechen, wie unkompliziert eine neue Hüfte heutzutage eingesetzt werden konnte. Die Angst vor einer Operation musste jeder selbst bewältigen.
Kimmel setzte sich umständlich an den Tisch. Er hatte sich am frühen Morgen im harten Licht der Badezimmerleuchten im Spiegel betrachten können und war nun dankbar dafür, dass ihn keiner der beiden auf seinen Gesundheitszustand hin ansprach. Als er bald darauf die Dienststelle verließ, ging es ihm schon etwas besser. Er hatte noch die Notebooks angesprochen, die noch auszuwerten waren. Eigentlich eine
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