Hafenweihnacht
aber einen anerkennenden Laut hören. »Die haben unten ein Büro. Er ist vorhin da rausgekommen. Ich denke, das sollten wir uns ansehen.«
»Denke ich auch.«
Vorne sprang die Blonde durch einen Parcours esoterischer Begrifflichkeiten. Sie erzählte von körperorientierter Psychotherapie, Reinigungsräuchern, Kartenlegen, Steinheilkunde, systemischem Arbeiten, Astrologie und Körperarbeit. Als das Stichwort Engel fiel, hatte sie die ganze Aufmerksamkeit der beiden.
»Wir haben hier«, sie wendete sich ihrem Kollegen zu, der sogleich bestätigend nickte, »weitreichende Erfahrungen mit Engel-Tunneling gemacht.« Sie ließ eine bedeutungsvolle Pause entstehen.
Lydia Naber verzog das Gesicht und wiederholte stumm: Engel-Tunneling?
Das bisher aufgezählte Programm schien niemanden der Anwesenden sonderlich erstaunt zu haben. Vermutlich waren es bei diesem Publikum gebräuchliche Methoden. Doch beim Stichwort Engel-Tunneling ging ein anerkennendes Raunen durch den Raum.
Die Blonde wechselte nun zum vertrauten Du: »Bei mir erwartet dich eine einstündige mediale Lebensberatung mit all meinen Fähigkeiten. Ich hole dich an der Stelle ab, wo du gerade in deinem Leben stehst, nehme mit dir und deiner Seele Kontakt auf und schaue in dein Leben hinein. Die wichtigsten Stationen deines Lebens, die eine Bedeutung haben, tauchen auf. Meine Engel unterstützen mich und dich mit ihren Botschaften, und auch deine Lieben aus dem Jenseits können sich melden. Durch die unterschiedlichsten Aspekte meiner Beratung kannst du Heilung für dich selbst geschehen lassen. Zum guten Schluss werde ich dir noch Geschehnisse und Ereignisse in deiner nahen Zukunft sagen. Es mag für den einen oder anderen unter euch im Moment schwierig sein, zu entscheiden, welches Angebot für ihn das passende ist. Aber wir werden jetzt in den Einzelgesprächen ganz sicher das Richtige finden. Wir haben in der Vergangenheit auch sehen können, dass viele gute Menschen mit unserem Findungspaket guten Erfolg erzielt haben, das ich noch ganz kurz vorstellen möchte. Es beinhaltet eine Reihe von Methoden, ist für die Dauer eines Tages angelegt. Wir beginnen mit einer Sitzung Hellsehen und Hellfühlen, üben uns anschließend in Seelen- und Jenseitskontakt, was uns fähig machen wird Engelsbotschaften zu empfangen und Zukunftsprognosen zu stellen. Dies führt direkt zu Selbstheilung und Transformation. Und du bist nicht allein, denn ich gehe gern ein Stück des Weges mit dir und freue mich auf dich. Die Übungen zum Sehen und Fühlen der Aura, das Ansprechen der Chakren und die Meditation führen zum Öffnen des angelegten Medialitätskanals. Am Ende der Veranstaltung neutralisieren wir die hohen Energien des Tages.«
Sie wirkte nun sehr erschöpft, setzte aber noch hinzu: Zum Abschluss möchte ich noch sagen: »Du bist einzigartig, und so bekommst du auch eine einzigartige Lebensberatung!«
Sie war perfekt und was sie sagte, klang gut und glaubhaft, es wirkte wie eine Droge. Die Anwesenden schienen sehr angetan von der Vorstellung, denn ein zufriedenes Gemurmel erfüllte den Raum.
Schielin und Lydia Naber waren sofort aufgestanden und zielstrebig nach vorne gegangen. Lydia schnappte sich den Hellfühler und leitete ihn charmant in eine ruhigere Ecke des Raumes. Er versuchte sie anzulächeln, was missriet, jedenfalls war es gekünstelt und unecht und fiel ihm schlagartig aus dem Gesicht, als er den Dienstausweis sah. »Wir müssen uns unterhalten«, sagte sie freundlich, »aber das haben Sie sicher schon hellgefühlt, nicht wahr.«
Schielin stellte sich unauffällig und mit wenigen Worten der Blonden vor, forderte sie auf mit ihren Gästen hier oben zu bleiben, dann begleitete er den Hellfühler und Lydia Naber nach unten ins Büro, das eher zweckmäßig eingerichtet war.
Schielin hielt bald den Ausweis des Hellfühlers in der Hand, aus dem hervorging, dass er Josef Zindl hieß und achtundfünfzig Jahre alt war. Er hatte kein Wort gesprochen, sich kooperativ verhalten und keine Fragen dahingehend gestellt, was denn der Anlass für diese Aktion sei.
Lydia Naber setzte sich locker auf die Kante des Schreibtisches. Ein kurzer Blick aus dem Fenster in die Ludwigstraße hatte sie Gommi entdecken lassen, der draußen auf und ab ging und einen gestressten Eindruck machte. Wenzel konnte nicht weit sein.
Josef Zindl hatte ihr den Rücken zugekehrt und war Schielin zugewandt. Der fragte ihn: »Sie wissen, weswegen wir hier sind?«
Zindl überlegte – und das
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