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Hafenweihnacht

Hafenweihnacht

Titel: Hafenweihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.M. Soedher
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herumgerutscht.« Zindl sah mit weit aufgerissenen Augen in die Runde und sein Blick heischte Verständnis. Schielin verzog den Mund und sah zum Haftrichter. Der unterstützte Zindl mit einem »Und, weiter?«.
    »Ja, es war ja mitten in der Nacht und bitterkalt. Es hätte ja sein können, dass da jemand in der Holzbude liegt … betrunken, oder bewusstlos … da musste ich doch nachsehen, das musste ich doch?«
    »Und das haben Sie dann auch getan?«
    »Ja. Ich habe diese halbwegs durchsichtige Plastikfolie an der Seite aufgemacht und bin durch die Verkaufslade eingestiegen. Zuerst habe ich das Handy genommen. Aber da war dann das Klingeln auch schon aus. Direkt neben dem Handy war die Brieftasche gelegen. In der Holzbude selbst war niemand, kein Mensch, nichts.«
    »Und dann?«
    Zindl lehnte sich zufrieden zurück und warf Schielin einen angewiderten Blick zu. »Wie gesagt. Ich habe Handy und Brieftasche eingesteckt und mitgenommen. Ich wollte es am Freitag abgeben, aber ich hatte dringende Büroarbeiten … für die Zentrale in München … und dann noch die Veranstaltung am Samstag. Ich habe es einfach vergessen … einfach vergessen.«
    Der Haftrichter überlegte.
    Schielin wartete einen Augenblick ab und meldete sich dann. »So ganz hat Herr Zindl das Handy nicht vergessen, denn er muss es, nachdem er es an sich genommen hat, ausgeschaltet haben. Er berichtete ja davon, dass es geklingelt hatte. Am Samstag dann hat er es wieder eingeschaltet, wobei es von uns im Handynetz erkannt werden konnte. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, zumindest die Stadt oder die Polizei von seinem Fund zu unterrichten, ein Leichtes.«
    Nun meldete sich der Anwalt, der das Thema für seinen Mandanten als ungünstig empfand. »Wie ich den Berichten entnommen habe, ist das Opfer ertrunken.«
    »Das stimmt. Allerdings finden sich am Körper des Toten zahlreiche Verletzungen, die als Spuren eines Kampfes zu werten sind und zeitlich in Zusammenhang mit dem Ertrinken gebracht werden können.«
    »Sicher, sicher«, entgegnete der Anwalt, »es stellt sich mir aber die Frage, wie ein Ertrunkener auf dem Steg zu liegen kommt.«
    »Die Frage stellt sich uns auch und wir hätten dazu gerne etwas mehr von Ihrem Mandanten gehört als die nette Geschichte, er habe in der Nacht ein klingelndes Handy und eine Brieftasche gefunden, und es nun einmal Zufall sei, dass zwanzig Meter weiter der Besitzer dieser Wertgegenstände getötet worden ist. Herr Zindl gibt ja zu, die Sachen an sich genommen zu haben. Nur wenige Meter entfernt kommt aber der Eigentümer zu Tode, und dazu sagt er keinen Ton. Wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass es zwischen dem Opfer und ihm zu einer Auseinandersetzung gekommen ist, nur wenige Meter von der Bude entfernt, aus welcher Herr Zindl die Gegenstände entwendet hat. Er hat Handy und Brieftasche entwendet, Jochen Drohst ertappt ihn dabei, verfolgt ihn, am Steg kommt es zum direkten Aufeinandertreffen und zu einem kurzen Kampf, in dessen Verlauf Drohst ins Hafenbecken fällt und ertrinkt. Das geht schnell bei diesen Temperaturen.«
    »Wie kommt das Opfer dann auf den Steg?«, wiederholte der Anwalt seine Frage.
    »Gibt es andere objektive Beweismittel … was ist mit weiteren Spuren?«, fragte der Richter an Schielin gewandt.
    »Wir sind noch mit der Auswertung der einzelnen Spuren beschäftigt.«
    Der Anwalt meldete sich wieder: »Mein Mandant ist unbescholten, hat einen festen Wohnsitz und befindet sich in einem festen Anstellungsverhältnis …«
    Darauf hatte Schielin schon gewartet. Alles an diesem Zindl war fest.
    Der Richter machte ein schmerzverzerrtes Gesicht und winkte ab. Er hatte die Kriminalakte von Zindl bereits durchgeblättert.
    Nein, er wollte das alles nicht hören und teilte in knappen Worten mit, einen Haftbefehl erlassen zu wollen.
    Obwohl Schielin hierhergekommen war, um genau das zu erhalten, einen Haftbefehl, konnte er keine Zufriedenheit empfinden. Dieser Zindl war viel abgebrühter als er gedacht hatte und nicht annähernd kooperativ. Was Schielin aber irritierte, war die Festigkeit, mit der er sich hier behauptete. Eine innere Überzeugung wurde fühlbar, mit der er seine Unschuld am Tod von Drohst verkündete. Er jammerte nicht, winselte nicht, forderte keine Gerechtigkeit, kein Mitleid, und er schien keine Angst zu haben, keine Furcht. Grollend saß er mit verschränkten Armen da und ließ seine bitteren Blicke abwechselnd zwischen dem Richter und Schielin hin und her

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