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Hahn im Korb.

Hahn im Korb.

Titel: Hahn im Korb. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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den man später mit einzementierten Füßen aufgefunden hatte, und Cicco Marino, der irgendwann von einem unbekannten Wagen überfahren wurde.
    »Was für eine schlimme Schmach hast du den Freunden angetan«, hatte Giovanni mit betrübter Stimme gesagt.
      »Den Freunden, denen du am Herzen lagst«, hatte Cicco ergänzt.
      Turi konnte sich nicht rühren, sie hielten ihn im Würgegriff.
      »Du betest doch zu Santa Lucia?« hatte Cicco sich erkundigt.
    »Ja.«
    »Hast du ein Heiligenbildchen bei dir?«
    »In der Brieftasche.«
      Mit einer Bewegung hatte Giovanni das Portemonnaie, das auf dem Nachttisch lag, geöffnet und ihm das Bild der Heiligen vor die Nase gehalten.
    »Bete zu ihr.«
    »Warum?«
      »Weil man uns gesagt hat, daß wir dir beide Augen ausreißen sollen. Doch wenn du zu der Heiligen betest, richtig gut betest, läßt sie vielleicht ein Wunder geschehen, und dir bleibt noch ein Auge erhalten.«
    Sie hatten ihm auch geraten hinzuknien, weil so das Gebet möglicherweise besser ankam. Turi hatte begonnen, aus tiefstem Herzen zu beten, und Santa Lucia hatte ihm das Wunder gewährt: Cicco hatte ihm mit dem Daumen nur ein Auge ausgequetscht, das rechte. Doch Giovanni hatte ihn gewarnt, es sei höchst unwahrscheinlich, daß sich die Wunder wiederholten: Wenn er sich nicht bald aus dem Staub machte, war es immer noch möglich, daß er auch das andere Auge verlor. Turi hatte der Aufforderung Folge geleistet, alles zurückgelassen und zwei Tage später, arm und noch verrückter als vorher, das Schiff genommen, um die Heimreise in sein Dorf anzutreten. Die gleichen Lästermäuler, die diese Geschichte erzählten, fügten noch am Rande hinzu, daß jener tüchtige Chemiker, der den guten Whisky machen konnte, Doktor Scimeni war. Doch das waren alles Gerüchte, die einzig sichere Tatsache war die, daß Turi mit einem Auge weniger aus Amerika zurückgekehrt war – infolge eines Autounfalls, wie er behauptete. Eine andere Tatsache war, daß Turi und der Arzt nicht miteinander sprachen. Wenn Turi krank war, nahm er den Bus und fuhr ins Nachbardorf. Selbst die Arzneien kaufte er andernorts. In die Apotheke, die Scimeni verpachtet hatte, setzte er keinen Fuß, nicht einmal auf einer Kanonenkugel hätten sie ihn dorthin gebracht.
    »Was willst du?« fragte Turi unwirsch.
    »Ich will mit dir reden.«
    »Dann red schon. Oder willst du, daß wir hineingehen?«
    »Vielleicht ist das besser.«
      Der Fußboden des Raums bestand aus gestampfter Erde. Es gab darin einen kleinen Tisch, ein Bett, zwei Stühle, einen Kleiderschrank und weiter nichts. In einer Ecke war eine Kochstelle aus Ziegelstein, die mit Kohle gefeuert wurde; dort standen ein Teller und zwei Gläser, alle drei schmutzverklebt. An einer Wand hingen im Quadrat angeordnet sechs verschiedene Heiligenfiguren von Santa Lucia, und unter jeder brannte ein Lichtlein. Turi hieß Vito mit einer Handbewegung Platz nehmen und setzte sich selbst so hin, daß er ihn mit dem einen Auge sehen konnte.
    »Ich höre«, sagte er.
      Vito war verunsichert, der Elan, der ihn bis zu Turis Haus getrieben hatte, war mit einem Schlag verpufft, nur ein merkwürdiger Nachhall der Worte aus dem Mund des Arztes war geblieben. Er beschloß, am besten gleich zum Angriff überzugehen und keine Zeit zu verlieren.
    »Du kennst Scimeni gut?«
      Turi nahm die Pfeife aus dem Mund und wandte leicht den Kopf ab, um sein Gesicht zu verbergen. Vito sah jetzt nur noch ein geschlossenes Augenlid, das an der Haut darunter klebte.
      »Ausgerechnet mich fragst du das? Du weißt doch, daß mit Scimeni nicht gut Kirschen essen ist.«
      »Aus diesem Grund bin ich hier. Über Scimeni weiß ich nur das, was man sich im Dorf so erzählt. Wenig also. Er ist einer, der sich um seinen eigenen Kram kümmert und niemanden ins Vertrauen zieht. Du hast ihn in Amerika kennengelernt?«
    »Ja.«
    »Was hat er da gemacht?«
      »Er hat sich seinen Lebensunterhalt verdient wie alle anderen.«
    »Auf welche Weise?«
    Turi antwortete nicht gleich.
      »Wir gehörten alle dazu«, sagte er schließlich, »wir waren echte Teufelskerle. Wenn ich an jene Zeiten zurückdenke, glaub mir, kommt es mir vor, als hätte ich sie nur im Traum erlebt. Manchmal, wenn jemand mich ganz unverblümt fragen würde: ›Also, warst du nun in Amerika oder nicht?‹, könnte ich mir vorstellen, daß ich mit gutem Gewissen antworten würde: ›Wer, ich?‹« Dann fügte er hinzu: »Lassen wir doch Scimeni aus dem

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