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Hahn im Korb.

Hahn im Korb.

Titel: Hahn im Korb. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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auftauchte, stand Turi mit den Schultern an die Hauswand gelehnt neben der Eingangstür und rauchte eine Schilfrohrpfeife mit Mohrenkopf- ein Modell, das nicht mehr im Handel war und nur noch im Trödelladen der Schwestern Melluso inmitten von Blechspielsachen, unbrauchbar gewordenen Scherzartikeln und ein halbes Jahrhundert alten Postkarten zu finden war. Vito öffnete das Gartentörchen, das aus zwei überkreuzten Brettern und Stacheldrahtrollen bestand.
    »Darf ich hereinkommen?«
    »Tritt ein.«
    Turi hieß mit Nachnamen Borgini; den Schimpfnamen,
    unter dem er bekannt war, hatte man ihm noch im Kindesalter verpaßt, als eine Augeninfektion drohte, ihn erblinden zu lassen. Seine Mutter hatte ihn Santa Lucia empfohlen, und auch nachdem die schlimmste Gefahr vorbei war, blieb Turi der Heiligen treu ergeben: An jedem dreizehnten Dezember aß er cuccìa, ein Gericht, das die Heilige den Gläubigen als Speise für diesen Tag vorschrieb; es bestand aus gekochten Kichererbsen und Getreidekörnern, die in halbgegorenem Wein schwammen. Selbst als er im Alter von zwanzig Jahren nach Amerika ausgewandert war, hatte er ein Bildchen der Heiligen in der Brieftasche und eine Flasche halbgegorenen Wein im Koffer. Die Kichererbsen und das Getreide würde er auch in New York finden, da war er sich sicher. Und schließlich hatte ihn seine Heiligenverehrung in Amerika vor dem Erblinden gerettet. Fünfzehn Jahre später, als er ins Dorf zurückgekehrt war, erzählte man sich in der Gegend, wie die Dinge gelaufen waren: Die Leute in den Staaten hatten zu jener Zeit den netten Einfall gehabt, daß ein Christenmensch nicht das Recht haben sollte, sich einen anzusaufen, wenn er Lust dazu verspürte. Und wer einem armen Teufel verbotenerweise die Gelegenheit dazu bot, mußte mit dreißig Jahren hinter Gittern rechnen. Einige Sizilianer aus Masàra, die Turi kennengelernt hatte, hatten ihn gedrängt, sich ein paar Dollar dazuzuverdienen und Gästen in einem ihrer Lokale, das von außen wie ein Alteisenschuppen aussah, Drinks zu servieren. Die Sache hatte sich gut angelassen, und nach einiger Zeit war er, immer noch auf Bitten von denen aus Masàra, in ein größeres und schöneres Lokal übergewechselt, wo man im ersten Stockwerk dem Glücksspiel frönte und Weiber mit entblößten Brüsten herumliefen, die ganz wie Madonnen aussahen, in Wirklichkeit aber Nutten waren. Doch kein Geld der Welt konnte Turi für die Angst entschädigen, die er manchmal durchstehen mußte. Nicht wegen der Polizisten, mit denen wurde man sich fast immer einig. Der wahre Schrecken hatte begonnen, als die aus Comisini sich in den Kopf gesetzt hatten, daß die aus Masàra das Feld räumen und sich anderswo niederlassen sollten. Eines Morgens, als Turi auf dem Nachhauseweg war, wurde er von zwei Kerlen aus Comisini in die Zange genommen, und der eine hatte ihm drei Zähne ausgeschlagen. Darauf wurden die Zeiten noch finsterer, und es gab auch einen Toten: Es endete damit, daß die aus Comisini sich das Lokal und den ganzen Rest unter den Nagel rissen und ein Vermögen damit machten; bei ihnen war nämlich einer mit von der Partie, ein guter Chemiker, der einen ausgezeichneten Whisky brauen konnte. Turi, der nach den drei Zähnen nicht noch weitere verlieren wollte – wir sind doch alle aus derselben Gegend, wir müssen uns unter die Arme greifen, um über die Runden zu kommen –, war, wie die anonymen Gerüchteköche zu erzählen wußten, zu denen aus Comisini gegangen, hatte ihnen unter die Arme gegriffen und ihnen gezeigt, wie sie es anstellen mußten. Von dem Zeitpunkt an durfte Turi zwei Lokale leiten und konnte sich alle Sachen stets in dreifacher Ausführung zulegen – eine für jeden ausgeschlagenen Zahn, für die er jetzt Goldzähne als Ersatz trug: drei Automobile, drei Radios, drei Häuser, drei schöne Frauen. Doch eines Tages hatten sich die aus Masàra wieder gemeldet, sie hatten sich mit schlimmem Gesocks zusammengetan, mit Kerlen, die wie Engländer sprachen, in Wirklichkeit aber gar keine waren – sie hatten rote Haare und kamen aus einem Land in der Nähe von England. Die aus Masàra hatten keine Zeit verloren. Eines Nachts war Turi aufgewacht, und da stand einer rechts und einer links von seinem Bett. Er hatte sich den Kopf zerbrochen, wie sie wohl in sein Haus gekommen waren. Er kannte sie alle beide, denn sie hatten die Fahrt aus Sizilien zusammen gemacht, und hinterher hatte man sich noch gelegentlich getroffen; es waren Giovanni Salomone,

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