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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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es dummes Zeug ist, an ein paar zufälligen Linien einen
Menschen wiedererkennen zu wollen«, sagte der Schutzmann.
    Bevor
Richard antworten konnte, klopfte es. Paul Heusohn kam herein.
    »Wissen
Sie nicht, wann Dienstbeginn ist?« fragte Beck.
    »Ich
bitte vielmals um Entschuldigung, Herr Kommissar«, entgegnete der Junge
verlegen. Er sah elend aus, und Richard verzichtete auf eine Rüge. Er
wiederholte, was er den anderen gesagt hatte und kam auf den Besuch von
Hermann Lichtensteins Bruder zu sprechen. Die Höhe der Darlehnssumme rief erstauntes
Murmeln hervor, das sich in betretenes Schweigen wandelte, als Richard sagte,
daß David Könitz sein Schwager sei. »Ich habe mit ihm noch nicht über die Sache
gesprochen, hoffe es aber im Laufe des Tages tun zu können. Unabhängig davon,
möchte ich Kommissar Beck bitten, Herrn Könitz morgen förmlich zur Sache zu
vernehmen.«
    Beck
nickte. »Ich bin überzeugt, daß Groß sich mit jemandem in der Kaffeestube
Bostel getroffen hat. Nur hieß dieser Jemand nicht Schumann, und bestimmt war
er kein Gastwirt. Aber vielleicht kommt er tatsächlich aus Offenbach? Wenn Sie
keinen anderen Auftrag für mich haben, werde ich entsprechende Nachforschungen
anstellen.«
    »Einverstanden.«
Richard verteilte die Photographien. »Ich schlage vor, wir treffen uns um ein
Uhr, um die Ermittlungsergebnisse auszutauschen.«
    Die
Männer nickten und verließen das Büro; Schmitt blieb an der Tür stehen. »Ich
habe noch eine Frage, Herr Kommissar. Warum wird Herr Groß vermessen? Und was,
bitte, ist ein Portrait parle?«
    »Beide
Maßnahmen dienen der Identifizierung von Personen, und beide wurden von einem
Franzosen namens Alphonse Bertillon erfunden, der früher Hilfsschreiber bei der
Pariser Polizei war und durch seine Erfolge zum Chef des Erkennungsdienstes
aufstieg«, sagte Richard. »Sein Meßverfahren, Anthropometrie oder Bertillonage
genannt, wird mittlerweile fast überall auf der Welt angewandt. Man nimmt von
Straftätern verschiedene Maße, die auf Karten notiert und katalogisiert werden.
Wenn ein Verbrecher einen falschen Namen angibt, kann er anhand seiner
Körpermaße identifiziert werden. Das Gesprochene Porträt soll es ermöglichen,
anhand präziser Beschreibungen eine Person eindeutig zu charakterisieren. Das
Bertillonsche Schema enthält allein für die Ohren sechsundneunzig Begriffe,
bei der Nase werden zum Beispiel die
    Nasenwurzel
und -basis, Nasenhöhe, Nasenvorsprung und Nasenbreite mit feststehenden Wörtern
bezeichnet.«
    »Und
das funktioniert?« fragte Schmitt.
    »Nein.«
    »Und
warum macht man es dann?«
    »Aus
dem gleichen Grund, weshalb man die Anthropometrie jahrelang ablehnte. Weil
Herr Bertillon sagt, daß es funktioniert.«
    Schmitt
sah ihn verständnislos an, über Paul Heusohns blasses Gesicht huschte ein
Lächeln. Richard warf einen Blick auf seine Uhr. »Haben Sie Interesse, sich die
Theorie in der Praxis anzuschauen?«
    Schmitt
nickte, und Richard meldete ihn beim Erkennungsdienst an.
    »Darf
ich mitgehen, Herr Kommissar?« fragte Paul Heusohn.
    »Nein.«
Richard wartete, bis Schmitt die Tür geschlossen hatte. »Warum sind Sie zu spät
gekommen?«
    Der
Junge senkte den Blick. »Bitte verzeihen Sie. Es wird sich nicht wiederholen.«
    »Ich
habe nach dem Grund gefragt, Heusohn.«
    »Ich
habe etwas zu lange geschlafen.«
    »Sie
sehen aus, als hätten Sie überhaupt nicht geschlafen.«
    »Sie
aber auch!« Er lief rot an. »Verzeihen Sie, ich
    »Himmel
noch mal! Können Sie nicht einen Satz sagen, ohne sich dafür zu entschuldigen?
Ich möchte, daß Sie mich zu Dr. Popp begleiten und ihm Ihre Fragen stellen.«
    »Ja,
Herr Kommissar. Wenn ich etwas anmerken dürfte?«
    Richard
setzte seinen Hut auf. »Hm?«
    »Sie
erwähnten die Dampfexplosion bei Pokorny & Wittekind. Für mich gibt es
keinen Zweifel, daß Fritz Wennecke den Unfall selbst verschuldet hat.
Wahrscheinlich war er wieder mal voll.«
    »Sie
kannten ihn?«
    Der
Junge verzog das Gesicht. »Er war der bevorzugte Saufkumpan von Eckhard
Heusohn. Im Gegensatz zu ihm hatte Fritz am Ende der gemeinsamen Zechtouren
immerhin noch so viel Geld übrig, daß seine Familie davon leben konnte.«
    Richard
wußte von Heiner Braun, daß Fritz Wennecke seinen Lohn mit dubiosen Geschäften
aufgebessert hatte und daß er alkoholsüchtig war, aber der Vorarbeiter bei
Pokorny & Wittekind hatte Stein und Bein geschworen, er habe bei der
Arbeit nie getrunken, und der Zustand der Leiche hatte keine Rückschlüsse

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