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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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zugelassen. Warum hatte ihm Braun nichts von Wenneckes Bekanntschaft mit Pauls
Vater erzählt?
    Schweigend
verließen sie das Präsidium. Der Himmel war blau, die Sonne schien. Auf der
Zeil herrschte reger Verkehr. Ein Automobil knatterte heran, die Zündung setzte
aus, und das Gefährt blieb mitten auf der Fahrbahn stehen. Der Lenker eines
Pferdefuhrwerks schaffte es gerade noch, auszuweichen und deckte den Automobilisten
mit einem geharnischten Fluch ein.
    »Arbeitet
Ihr Vater auch bei Pokorny & Wittekind?« fragte Richard, als sie den
Roßmarkt erreichten.
    »Eckhard
Heusohn starb vor acht Monaten im Bett einer Dirne in der Rosengasse. Er war
nicht mein Vater.«
    »Sie
tragen seinen Namen, oder?«
    »Ich
war nicht alt genug, nein zu sagen.«
    »Ich
schon«, sagte Richard. »Aber ich habe es nicht getan.«
    Der
Junge sah ihn überrascht an.
    »Ich
war zwanzig, als mein Vater starb. An seinen Nachfolger habe ich mich bis heute
nicht recht gewöhnt, obwohl er ein durchaus netter Mensch ist. Was ist mit
Ihrem leiblichen Vater?«
    »Meine
Mutter sagt, er sei Schutzmann gewesen und pensioniert.«
    »Das
heißt, er ist um einiges älter als Ihre Mutter.«
    »Er
interessiert mich nicht!«
    »Hatten
Sie nach dem Tod Ihres Stiefvaters noch Kontakt zu Fritz Wennecke?«
    »Nein.«
    Richard
war sicher, daß er log. Er nahm sich vor, Heiner Braun bei nächster Gelegenheit
über das rote Käthchen und ihre Familie auszufragen. »Der Vorarbeiter bei Pokorny
behauptete, Herr Wennecke habe bei der Arbeit nicht getrunken.«
    »Martin,
äh, Herr Heynel, hat mir gesagt, daß Fritz öfter sternhagelvoll an der Maschine
stand. Und daß ihn Willi Schranze gedeckt hat. Warum auch immer.«
    »Und
woher weiß Oberwachtmeister Heynel das?«
    »Er hat
den Hammer bedient, wenn Fritz nicht mehr dazu in der Lage war.«
    »Bitte?«
    »Herr
Heynel hat bei Pokorny & Wittekind gearbeitet, bevor er zur Polizei ging.«
    Richard
rechnete nach. »Das muß mindestens zehn Jahre her sein.«
    »Neun
Jahre«, sagte Heusohn. »Ich war acht, als er Fritz aus unserer Wohnung
prügelte, weil er...« Er brach ab, als sei er über seine eigenen Worte
erschrocken. Zwei Frauen kamen ihnen entgegen. Paul Heusohn wich vom Trottoir
auf die Straße aus.
    »Weil
er was?« fragte Richard, als sie wieder nebeneinander gingen.
    »Wenn
Menschen betrunken sind, verlieren sie die Kontrolle. Und Fritz Wennecke war
sehr betrunken.«
    »Was
hat er getan?«
    »Das
ist lange her, Herr Kommissar.«
    Richard
akzeptierte, daß er nicht darüber sprechen wollte. »Haben Sie auch bei Pokorny
gearbeitet?«
    »Nein.
Ich war zwei Jahre in der Eisengießerei Wurmbach und danach als Lernjunge in
einer Hufschmiede in Sachsenhausen. Aber das wissen Sie ja schon.«
    Richard
nickte. Sie überquerten die Mainzer Landstraße und bogen kurz darauf in die
Straße Niedenau ein.
    Das
Labor von Dr. Georg Popp befand sich im Hinterhaus der Nummer 40. Im Flur roch
es nach Karbolsäure und Leichen. Ein junger Assistent führte sie in ein
schlauchförmiges Hinterzimmer. Unter einer primitiven Abzugshaube lagen blutige
Kleider und notdürftig verpackte Leichenteile, in Regalen standen Einmachgläser
mit farbigen Flüssigkeiten, auf einem Tisch vor dem Fenster Reagenzgläser,
Flaschen, Schälchen,
    Bunsenbrenner
und ein Mikroskop, durch das Dr. Popp angestrengt schaute.
    »Guten
Morgen«, sagte Richard naserümpfend.
    Dr.
Popp sah auf. »Guten Morgen, Herr Kommissar. Geht's Ihnen nicht gut?«
    Richard
zeigte auf den Abzug. »Was halten Sie davon, das Ding ab und zu einzuschalten?«
    »Wenn
es funktionieren würde, wäre das sicher keine schlechte Idee. Sobald ich
nämlich das Fenster aufmache, beschweren sich die Nachbarn.«
    »Das
wundert mich nicht.«
    »Haben
Sie mir neue Spuren mitgebracht?«
    Richard
schüttelte den Kopf. »Aber einen wißbegierigen jungen Mitarbeiter.«
    Dr.
Popp lächelte. »Ah ja, ich erinnere mich: Die Wache vor Lichtensteins Geschäft,
nicht wahr? Wie war gleich der Name?«
    »Paul Heusohn«,
sagte der Junge verlegen. Richard nickte ihm zu, und er fuhr fort: »Ich hätte
eine Frage zu dem Fingerabdruck auf Herrn Lichtensteins Hemd. Warum können Sie
so sicher sagen, daß er von einer Frau stammt?«
    »So
sicher bin ich gar nicht mehr.« Dr. Popp sah Richard an. »Ich habe gestern aus
Wien eine Manuskriptabschrift über die Verwertung von Fingerabdrücken erhalten,
deren Lektüre mich die halbe Nacht gekostet und zu dem Schluß geführt hat, daß
ich in meinem Urteil wohl ein

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