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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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sind beim Gordon-Bennett-Rennen eingesetzt.
Bestimmt ist er auch dort.«
    »Nein.
Könnte ich bitte in seinem Büro nachsehen?«
    Victoria
folgte ihm in den ersten Stock. Er klopfte gegen eine Tür und drückte die
Klinke. »Sehen Sie! Abgeschlossen. Vielleicht ist er auf einer Ermittlung.
Oder längst zu Hause.«
    Aber
auch dort war er nicht. Victoria ging in ihr Zimmer und öffnete das Fenster. In
der Dämmerung wetterleuchtete es. Er hatte sich extra freigenommen. Er hatte
hoch und heilig versprochen, er werde nachkommen. Er war nicht im Präsidium
gewesen, obwohl er behauptet hatte, dringend hinzumüssen. Plötzlich bekam sie
Angst. Sie schloß das Fenster, ließ den Kutscher wieder anspannen und fuhr ins
Rapunzelgäßchen.
    »Ist
Richard bei Ihnen?« fragte sie, als Heiner die Tür öffnete.
    Er sah
sie erstaunt an. »Ich dachte, er wollte mit Ihnen und den Kindern zum Gordon-Bennett-Rennen?«
    Victoria
erklärte ihm die Lage. »Ich mache mir schreckliche Sorgen.«
    Heiner
zog seine Jacke an. »Ich erkundige mich noch mal im Polizeipräsidium und sage
Ihnen Bescheid.«
    Am Alten
Markt kam ihm Laura Rothe entgegen. Heiner sagte ihr, was er von Victoria
erfahren hatte, und sie erbot sich, ihn zu begleiten. Zehn Minuten später
standen sie vor Richards Bürotür. Heiner nahm den Schlüssel vom Rahmen, schloß
auf und zündete eine Lampe an. Auf seinem ehemaligen Stehpult lagen Bücher, auf
Richard Biddlings Schreibtisch eine Strafanzeige wegen Brandstiftung und die
Akte Wennecke. Heiner zog die oberste Schublade auf. Der Brief war nicht zu
übersehen. Es standen nur zwei Worte darauf; sie waren mit der Maschine
geschrieben. Heiner registrierte, daß die kleinen i aus der Reihe sprangen. Er
riß den Umschlag auf und las die Nachricht. »Wir müssen nach ihm suchen.«
    Laura
sah, daß seine Hände zitterten. »Was steht in dem Brief?«
    Er
steckte Blatt und Kuvert in seine Jacke. »Ich bitte Sie um alles in der Welt:
Vergessen Sie diesen Brief!« Er sah so erschüttert aus, daß Laura nicht mehr
als nicken konnte. »Überlassen Sie mir das Reden«, bat er sie auf dem Weg zur
Wache.
    Laura
wunderte sich, wie ruhig und abgeklärt er plötzlich war. Er erläuterte den
Beamten, daß Kommissar Biddling eine Ermittlung gehabt habe, von der er längst
zurücksein wollte und daß unverzüglich Suchmaßnahmen eingeleitet werden müßten.
Danach fuhren sie in den Untermainkai. Ein ältliches Fräulein öffnete.
    »Guten
Abend, Louise. Können Sie uns bitte Victoria melden?« sagte Heiner. Im
gleichen Moment kam sie die Treppe herunter. Sie trug ein schlichtes, blaues
Hauskleid und sah blaß aus.
    »Ich
habe alles Nötige veranlaßt«, sagte Heiner. »Wir suchen nach ihm. Hat er denn
keine Andeutung gemacht, warum er an seinem freien Tag ins Präsidium wollte?«
    Sie
schüttelte den Kopf. «Eine dringende dienstliche Sache. Genau das waren
seine Worte. Ich werde bei der Suche helfen.«
    »Ich
halte es für besser, hier zu warten«, schlug Heiner vor. »Sollte Ihr Mann nach
Hause kommen, schicken Sie bitte sofort eine Nachricht ins Präsidium.«
    Sie
nickte und bat Louise, ihr Tee in die Bibliothek zu bringen.
    Es war
schon hell, als Heiner Braun wiederkam. Sein Gesicht war fahl, jede Falte
schien für die Ewigkeit eingemeißelt zu sein. »Wir haben ihn gefunden,
Victoria.«
     
    Kapitel
21
     
    Drittes   Morgenblatt     
    Samstag , 18. Juni 1904
    Frankfurter
Zeitung und Handelsblatt
     
    Das
Gordon-Bennett-Rennen. Daß es gerade ein
Franzose ist, der Sieger blieb, das ist uns, offen gestanden, nicht unlieb.
Deutsche und Franzosen vereint in friedlichem Wettbewerb auf dem Gebiete des
Sports und der Industrie - wir sind wohl nicht zu sanguinisch, wenn wir darin
gute Zeichen für die Zukunft erblicken. Die beiden deutschen Mercedeswagen
konnten den zweiten und dritten Platz besetzen. Von den drei Belgiern
erreichte nur einer das Ziel.
    Es ist
erfreulich, daß den verschiedenen Nationen von Jahr zu Jahr Gelegenheit
geboten wird, ihre Kräfte zu messen in einem Wettstreit, der in seiner Weise,
wenn auch sehr bescheiden, etwas zur Kräftigung der Friedensidee beiträgt.
     
    W o ist er? Wie geht es ihm? Ist er verletzt?« »Nein.«
    »Herr
Braun! Sagen Sie endlich, was
    »Er ist
tot.«
    In die
Stille schlug die Uhr zur halben Stunde. Victoria lächelte verkrampft. »Das
ist ein Scherz, nicht wahr?«
    Heiner
berührte ihren Arm. »Es tut mir so leid.«
    Der
Kloß in ihrem Hals ließ keinen Ton heraus. Sie ging zum Fenster. Nie

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