Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
Vom Netzwerk:
mehr würden
sie gemeinsam in die Wolken schauen, nicht mehr träumen, nicht mehr lachen.
Tot. Drei Buchstaben sollten die Macht haben, ein Leben wegzuwischen? Auf der
Dachrinne sang eine Amsel. Wie konnte sie! Victoria drehte sich zu Heiner um.
»War es ein Unfall?«
    »Ein
Spaziergänger hat ihn gefunden.«
    »Wo?«
    »Im
Stadtwald. Nahe der Stelle, an der damals Ihr Cousin zu Tode kam.«
    Ihre
Hände verkrampften sich in ihrem Kleid. »Warum dort?«
    »Ich
weiß es nicht.«
    »Bitte,
Herr Braun. Sagen Sie mir die Wahrheit.«
    Er sah
an ihr vorbei. »Es deutet einiges darauf hin, daß Ihr Mann... daß er sich
erschossen hat. Aber die Ermittlungen werden selbstverständlich in alle
Richtungen geführt.«
    »Nein!«
Sie lief zur Tür. »Ich will ihn sehen!«
    Er
hielt sie fest. »Victoria, bitte. Sie wissen doch, daß zuerst die polizeilichen
Untersuchungen abgeschlossen sein müssen.«
    »Ja.
Das verstehe ich.« Ihre plötzliche Gefaßtheit erschreckte sie selbst. Es war,
als rede nicht sie, sondern jemand anderes aus ihr heraus, der keine Trauer
fühlte, keinen Schmerz, keine Schuld. »Ich nehme an, Sie sind mit einem Beamten
aus dem Präsidium da.«
    Heiner
nickte. »Ich habe gebeten, daß ich zuerst allein mit Ihnen sprechen darf. Herr
Kommissar Beck wird Ihnen ein paar Fragen stellen, sobald Sie sich dazu in der
Lage fühlen.«
    »Wenn
es möglich ist, würde ich vorher gern meiner Familie und dem Personal Bescheid
sagen.«
    »Herr
Beck wird darauf Rücksicht nehmen.«
    »Ich
glaube nicht an Selbstmord. Er hatte keinen Grund. Nicht den geringsten.« Der
Kloß in ihrem Hals drohte sie zu ersticken. Wortlos nahm Heiner Braun sie in
seine Arme.
    Wenige
Minuten später klingelte sie nach Louise und bat, Flora zu holen. Die alte Zofe
wollte etwas sagen, aber Victoria schüttelte stumm den Kopf. Zusammen mit
Heiner Braun ging sie zu Vickis Zimmer und klopfte. »Ich will niemanden sehen!«
rief sie.
    »Bitte
machen Sie auf, Vicki. Wir haben etwas Wichtiges mit Ihnen zu besprechen«,
sagte Heiner.
    Sie
schloß die Tür auf. »Sie wußten es auch, nicht wahr? Jeder wußte es! Und jetzt
schickt Vater Sie zum Gutwettermachen vor!«
    »Nein«,
sagte er ruhig.
    Louise
und Flora kamen über den Flur. Flora sah Victoria an. »Was hast du, Mama?«
    »Ich
sage es dir gleich. Bitte kommt herein.«
    Vicki
wollte auffahren, aber als sie Heiner Brauns Blick begegnete, schwieg sie.
Victoria wartete, bis er die Tür geschlossen hatte und atmete durch. »Herr
Braun hat mir gerade eine sehr traurige Nachricht überbracht. Richard... Euer
Vater ist gestorben.« Sie konnte nicht sagen, was zuerst in ihr Bewußtsein
drang: Louises Tränenausbruch, Floras markerschütternder Schrei oder daß Vicki
in Ohnmacht fiel. Sie schloß Flora in ihre Arme, Heiner Braun trug Vicki zum
Bett. Louise holte schluchzend Riechsalz.
    »Bitte,
bitte, Mama, sag, daß das nicht wahr ist«, wimmerte Flora, aber Victoria konnte
nichts tun, als ihr stumm übers Haar zu streichen.
    Heiner
hielt Vicki das Salz unter die Nase. Sie schlug die Augen auf und stieß seine
Hand weg. »Das habt ihr euch fein ausgedacht! Das...«
    »Hast du
denn nicht gehört?« sagte Flora leise. »Papa ist tot. Er kommt nie mehr wieder.
Nie, nie mehr...« Ihre Stimme versagte, Tränen rannen über ihre Wangen. Vicki
streckte die Hand aus. Weinend fielen sich die Schwestern in die Arme.
    Victoria
sah, daß Heiner ihr ein Zeichen gab und folgte ihm nach draußen. »Es ist
besser, wenn Sie die beiden ein bißchen allein lassen«, sagte er. »Louise paßt
schon auf, hm?«
    »Wir
hätten ihr längst die Wahrheit sagen müssen«, sagte Victoria tonlos. »Aber ich
hatte Angst, und Richard... Er war sehr niedergeschlagen, weil sie nicht mehr
mit ihm reden wollte.« Sie zog ein Taschentuch aus ihrem Kleid. »Vielleicht hat
er es deshalb getan?«
    Heiner
schüttelte den Kopf. »Dafür hätte es keiner besonderen Nachricht bedurft,
oder? Wann hat Vicki es erfahren?«
    »Vorgestern.
Eine Indiskretion im Präsidium. Hat Richard Ihnen gesagt, daß sie heiraten
will?«
    »Ich
weiß von Herrn Heynes Plänen, ja.«
    Sie
fuhr sich über die Augen. »Herr Braun, bitte. Was wissen Sie noch?«
    »Wir sollten
später in Ruhe darüber sprechen.«
    »Richard
erwähnte, daß Herr Heynel vielleicht in den Fall Wennecke verwickelt ist. Er
hat mir aber nicht gesagt, warum.«
    »Wir
haben die Vermutung, daß Oberwachtmeister Heynel der letzte war, der Fritz
Wennecke lebend gesehen hat. Außerdem hat er früher an der

Weitere Kostenlose Bücher